BauSV 6/2024

Bauforschung


Mathias Zöller


Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten an Gebäuden

Mangelfreiheit versus hinnehmbare oder zu beseitigende Mängel


Was bedeutet eine »hinzunehmende Unregelmäßigkeit«?

Eine hinzunehmende Unregelmäßigkeit bedeutet die vom Vertrag vorausgesetzte Mangelfreiheit. Solche Unregelmäßigkeiten liegen in der Bandbreite des Vertrags und lösen damit keine Mangelrechte aus.


Wann ist ein Mangel hinnehmbar, wann muss er hingenommen werden?

Die Dispositionsfreiheit von Bestellern nach § 634 BGB, gerade Errichtetes wegen Makel, die auch Mängel sind, gegebenenfalls abbrechen und neu herstellen zu lassen, widerspricht diametral Art. 20a des Grundgesetzes, dem von Deutschland anerkannten »Green Deal« der europäischen Gesetzgebung zur Kreislaufwirtschaft und dem nationalen Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Wegen der geänderten juristischen Bewertung in der Rechtsprechung, insbesondere wegen des BGH-Urteils vom 22. Februar 2018, VIIZR46/17, sowie als Reaktion auf die zwischenzeitlich geführten Diskussionen und die daraus folgenden Erkenntnisse zu diesen Themen, wurde die bisherige Herangehensweise neu erarbeitet. Das Zivilrecht unterscheidet in § 633 BGB zunächst nur nach mangelfreier und mangelbehafteter Leistung.

Nach gesetzlichen Ansprüchen ist es, nach § 634 BGB, Bestellern zwar unter bestimmten Voraussetzungen möglich, verwendungsgeeignete Bauleistungen, die aber nicht (vollständig) den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen und deswegen mangelbehaftet sind, zerstören und neu herstellen zu lassen, wenn die vollständig mangelfreie Leistung nur dadurch erreicht werden kann. Eine zwischengeschaltete Stufe, eine mangelbehaftete Leistung gegen die Minderung des Werklohns zu akzeptieren, sieht das Gesetz zwar vor, wird in der Praxis aber restriktiv behandelt.

Die Rechtsprechung legt die gesetzlichen Regelungen meistens zugunsten von individuellen Bestellern aus. Das ist aus deren Sicht verständlich, da Minderungen nach bisherigen Berechnungsverfahren oft im Bezug zum gesamten Werklohn nur inakzeptable Geldbeträge bedeuten. Das aber bedeutet die oft unnötige Wiederholung von Bauleistungen.

Wegen der divergierenden Gesetzeslage wird eine umfassende Neubetrachtung erforderlich, den Umgang mit Mängeln neu auszutarieren. Dies darf einerseits nicht zur unangemessenen Beschränkung von Bestellerinteressen führen. Andererseits dürfen nicht Bauleistungen zulasten der Umwelt und der Gemeinschaft der Verbraucher durch unnötigen Ressourcenverbrauch, CO2-Emissionen, Verstoß gegen das Gebot, Abfälle möglichst zu vermeiden, und volkswirtschaftliche Einbußen in unnötigem Maße wiederholt werden müssen.

Nach Gesetz ist zum Zeitpunkt der Abnahme die mangelfreie Leistung geschuldet und vorhandene, berechtigt gerügte Mängel sind zu beseitigen. Was aber bedeutet »beseitigen«?

Nach § 631 BGB i.V.m. § 633 BGB liegt ein Mangel vor, wenn die vereinbarte Beschaffenheit nicht eingehalten ist oder die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendungseignung, die gewöhnliche Verwendungseignung, eine übliche Beschaffenheit bei gleicher Art von Werken oder die Bestellererwartung nach Art des Werks nicht erreicht wurde.

Beschaffenheitsvereinbarungen werden getroffen unter Einbeziehung von textlichen Beschreibungen in Verträgen und durch Dokumente, etwa Pläne, Leistungsverzeichnisse, Prospektbeschreibungen oder anderes mehr, auf die in Verträgen Bezug genommen wurde. Dabei stellt sich die Frage, ob das alles dem wirklichen Willen der Parteien entsprechen kann und soll oder ob Korrekturen unter Berücksichtigung von § 133 BGB und § 157 BGB erforderlich werden. Sicherlich wird danach zu unterscheiden sein, was fallbezogen genau beschrieben und ausdrücklich vereinbart wurde, von dem, was in Standardtexten mehrfach verwendet wird.

Wesentlicher Vertragsbestandteil werden aber die Funktion – die Verwendungseignung – und die übliche Beschaffenheit bei gleicher Art von Werken sein. Diese Merkmale sind zentraler Bestandteil dieser Forschungsarbeit, die gewerkebezogene übliche Merkmale beschreibt.

Diese Kriterien sind ein wichtiger Baustein bei der Entscheidung, ob Mängel nach den gesetzlichen Regelungen des § 633 BGB vorliegen und wie bedeutend diese jeweils sind. Dabei geht es weniger darum, Abweichungen, die mehr als eine »hinzunehmende Unregelmäßigkeit« und damit ein Mangel nach vertraglichen Voraussetzungen sind, zu einem mangelfreien Werk »hinzubiegen«. Das ist zwar etwas bequemer, weil man sich nicht mehr um den Umgang mit Mängeln kümmern muss.

Vielmehr geht es um die Frage, wie mit Mängeln umzugehen ist. Diese können schon bei Kleinigkeiten vorliegen. Mängel, ob unbedeutend oder schwerwiegend, führen nicht unbedingt zur umfassenden Beseitigungsverpflichtung durch Abbruch, Entsorgung und Neuherstellung mit Ressourcenverbrauch, Umweltbelastung, ökonomischen Folgen und Zeitbeanspruchung sowie Belastungen an und in Gebäuden während der Maßnahmen.


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