Der gesetzliche Zwang zur Abgabe einer Unwissenheitserklärung!
Der Beitrag beleuchtet die gesetzliche Regelung der Abnahme nach § 640 BGB und die sich aus ihr ergebenden, in der Rechtsanwendung kaum mehr zu bewältigenden Probleme.
I. Komplizierte Rechtsregelungen
Das deutsche Recht spielt im internationalen Rechtsverkehr nahezu keine Rolle. Dafür gibt es Gründe. Wir Deutschen denken häufig sehr kompliziert und schaffen demzufolge auch komplizierte rechtliche Regelungen. Und Hand aufs Herz: Wir gefallen uns darin nicht schlecht.
So gibt es weltweit wohl kein Rechtssystem, das vertragliche Regelungen so sehr der gerichtlichen Kontrolle unterzieht wie das deutsche Recht. Das deutsche AGB-Recht ist weltweit im Bemühen um den Schutz des Vertragspartners nicht zu übertreffen. Was hierzulande als unangemessene Benachteiligung und deshalb als unwirksam gilt, ist anderenorts völlig üblich und wird nicht infrage gestellt.
Hieraus ergeben sich für Vertragspartner, die mit dem deutschen Recht und der vielgestaltigen Rechtsprechung zum AGB-Recht nicht vertraut sind, unüberschaubare rechtliche Risiken für die Vertragsgestaltung und die Rechtsanwendung. Kein Wunder, dass sich internationale Vertragspartner auf solche rechtlichen Abenteuer nicht einlassen.
Das AGB-Recht hat auch weitreichende Auswirkungen auf das Thema der Abnahme, wenn die Parteien versuchen, in Verträgen hierzu Regelungen zu treffen, die von der Rechtsprechung als unwirksam erachtet werden – mit fatalen Konsequenzen für die Rechtspraxis. In diesem Aufsatz sollen die gesetzliche Regelung der Abnahme (§ 640 BGB) und die sich aus ihr ergebenden, in der Rechtsanwendung kaum mehr vernünftig zu bewältigenden Probleme näher beleuchtet werden.
II. Nach § 640 Abs. 1 BGB ist der Besteller verpflichtet, »das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen«
Diese Verpflichtung des Auftraggebers ist neben der Pflicht zur Herstellung des Werks durch den Auftragnehmer und Zahlung des Werklohns durch den Auftraggeber die dritte vertragliche Hauptpflicht im Werkvertragsrecht. In der Folge kann ein Auftragnehmer gegen den Auftraggeber Klage auf Abnahme erheben. [1]
Kein anderes Rechtssystem in Europa qualifiziert die Verpflichtung zur Erklärung einer Abnahme als vertragliche Hauptpflicht, außer Deutschland!
Die Idee hinter diesem Rechtsinstitut ist die Vorstellung, dass der Besteller die von ihm bestellte Werkleistung entgegennehmen und als in der Hauptsache vertragsgerecht bestätigen soll. Man spricht hier vom zweigliedrigen Abnahmebegriff; zweigliedrig deshalb, weil die Abnahme die tatsächliche Entgegennahme umfasst, ferner aber auch eine Billigung des Werks im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Erklärung.
Was heute in das Rechtsinstitut der Abnahme an technischen Sachverhalten einfließt, ist unendlich viel komplexer als im Jahre 1900, als das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft getreten ist. Das Leben war damals noch ungleich mehr als heute von der Herstellung individuell in Auftrag gegebener Produkte geprägt. Seinerzeit konnte man es durchaus für sinnvoll erachten, wenn etwa der Besteller eines Maßanzuges dem Schneider bei Abholung nach Anprobe das Gelingen seines Werks bestätigte.
Obwohl sich die Welt seither erheblich gewandelt hat, und Gewerke ungleich komplexer geworden sind, sieht das Gesetz nach wie vor für den Auftraggeber einen Zwang vor, das von ihm bestellte Werk durch rechtsgeschäftliche Erklärung zu billigen und abzunehmen. Das bedeutet: Der Auftraggeber, der ein Werk nur entgegennimmt, nicht aber billigt, nimmt nicht ab. Und damit befinden wir uns schon mitten im Dilemma.
III. Baualltag: Soll das Werk überhaupt abgenommen werden?
Tatsächlich sind Fälle, in denen sich bei der Erbringung von Bauleistungen die Frage stellt, ob das Werk überhaupt abgenommen wurde, alltägliche Erfahrungen. Die Prüfung dieser Frage und Sachvortrag hierzu sind bei der Geltendmachung von Werklohnansprüchen aus Bauvertrag zwingend. Gleichermaßen gilt dies aber natürlich auch, wenn es um Mängelansprüche geht. Denn Mängelansprüche macht das deutsche Recht – jedenfalls in aller Regel – von der vorher erfolgten Abnahme der Werkleitungen abhängig. [2]
Bei der Prüfung der Abnahme sehen sich Anwälte und Gerichte in sehr vielen Fällen mit häufig kaum lösbaren Fragen konfrontiert, insbesondere, wenn eine förmliche Abnahme unterbleibt. In anderen Fällen vertritt der Auftraggeber etwa die Meinung, das Werk sei nicht fertiggestellt oder entspreche nicht dem, was er bestellt hat, oder die Ausführung verstoße gegen die anerkannten Regeln der Technik (aRdT) oder oder oder.
Dann muss das Werk erst einmal technisch beurteilt werden, um die Frage der Abnahme beantworten zu können. An dieser Stelle befinden wir uns bemerkenswerterweise nicht bei der Prüfung, welche Mängelrechte dem Auftraggeber zustehen; vielmehr erfolgt diese Untersuchung zur Feststellung, ob eine Abnahme anzunehmen ist oder nicht.
Nachdem wir Juristen damit überfordert sind, schallt der Ruf nach Sachverständigenhilfe zur Beurteilung des Werks. Nun gilt es aber erst einmal festzustellen, was denn eigentlich geschuldete Leistung ist. § 633 Abs. 2 BGB qualifiziert ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
Wir haben es bei der gesetzlichen Regelung und der Definition dessen, was ein Sachmangel ist, mit einer mehrstufigen Prüfung zu tun. Vorrangig ist die im Vertrag vereinbarte Beschaffenheit; nur wenn eine solche sich aus dem Vertrag nicht ergibt, kommt es auf die beiden weiteren Kriterien an – dies ebenfalls abgestuft.
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