Der 9. Deutsche Baugerichtstag hat am 12. und 13. Mai 2023 in Hamm (Westfalen) als Präsenzveranstaltung stattgefunden. Rund 450 Teilnehmer diskutierten intensiv aktuelle baurechtliche und baubetriebliche Fragen und sprachen Empfehlungen an den Gesetzgeber und die Baubeteiligten aus.
Im Kurhaus Bad Hamm startete der 9. Deutsche Baugerichtstag am 12. Mai 2023 pünktlich um 9:30 Uhr. Man kann schon sagen: Endlich! Denn fünf Jahre lang hatte der Baugerichtstag nicht live stattfinden können, wenn man von einem kleinen Ausflug in die virtuellen Welten der Covid-19-Pandemie im Mai 2021 absieht.
Bei der Eröffnung durch den Präsidenten des Deutschen Baugerichtstag e.V., Professor Stefan Leupertz, zeigte sich, dass es in diesem Jahr auch um die Evaluierung des gesetzlichen Bauvertragsrechts geht, das schon fünf Jahre gilt. Der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs war nahezu mit voller »Mannschaftsstärke« mit dabei und wurde entsprechend begrüßt.
Es folgte ein Grußwort des »Hausherren«: Für den aus terminlichen Gründen abwesenden Oberbürgermeister der Stadt Hamm, Marc Herter, sprach die Leiterin des Rechtsamts der Stadt Hamm, Dr. Carola Reimann-Dietrich: »Diese Veranstaltung ist etwas ganz Besonderes! Das, was wir durch Corona entbehrt haben, nehmen wir mit in die Diskussion.«
Zur Zukunft des Bauens in Deutschland
Danach begann der erste Plenarvortrag. Professor Dr. Werner Sobek, Bauingenieur und Architekt aus Stuttgart, spracht zur »Zukunft des Bauens in Deutschland«. Der Redner hat in den meisten Ländern der Welt geplant und viele Erfahrungen gemacht. Er vertritt schon seit vielen Jahrzehnten Thesen zur Nachhaltigkeit des Bauens und ist damit ebenso Visionär wie Vorreiter des nachhaltigen Bauens: »Wir verstehen uns als Wegbereiter für eine zukunftssicher gestaltete Umwelt. Wir wollen emissionsfrei für mehr Menschen und mit weniger Material bauen. Unser Ziel ist eine gebaute Umwelt, die atemberaubend schön ist und zugleich den Interessen kommender Generationen gerecht wird.«
Zu diesem Themenkreis hat der Redner die Trilogie »non nobis – über das Bauen in der Zukunft« verfasst. Schmunzelnd fügte er hinzu, da er honorarfrei angetreten sei, sei ein Werbeblock erlaubt; Band 1 der Trilogie »non nobis« kann man bereits bestellen.
Prof Sobek bezog sich faktenbasiert auf Zahlen: Das Bauwesen steht für etwa 60% des weltweiten Ressourcenverbrauchs. Wir müssen mit viel weniger Material bauen. Und wir müssen so bauen, dass alle Baustoffe später wiederverwendet werden können. Nichts darf verloren gehen, nichts darf vernichtet werden. Dazu gehört auch seine schwäbische Einstellung »Man wirft nichts weg« sowie die Perspektive »Baue nie gegen die Natur«. Das bedeutet zugleich 50% Massenmüllaufkommen und 50% CO2-Ausstoß. Das Bauschaffen produziert zu viel gasförmigen Abfall. These 17 seiner 17 Thesen zur Nachhaltigkeit lautet: »Natura mensura est« – die Natur ist das Maß der Dinge.
Prof. Sobeks Schlusswort zu seinem überaus beeindruckenden Plenarvortrag ist deutlich: »Es geht um das Verstehen des Ganzen. Wenn wir das Ganze nicht verstehen, dürfen wir gar nicht sprechen.« Für seinen mehr als beeindruckenden Vortrag erhielt er völlig verdient einen besonders langen Applaus des Plenums.
Baurechtlicher Forschungspreis 2023 verliehen
Nach der Kaffeepause wurde der Baurechtliche Forschungspreis 2023 verliehen. Der Deutsche Baugerichtstag zeichnet alle zwei Jahre herausragende Dissertationen oder Masterarbeiten aus den Bereichen »rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen« und »baubetriebliche / immobilienwirtschaftliche Veröffentlichungen« aus.
Den Preis für den Bereich »Rechtswissenschaft« teilten sich in diesem Jahr Herr Dr. Nils Heuser für seine Arbeit »Gesetzliche Sicherheiten und formularvertragliche Sicherungsabreden bei Bauverträgen« sowie Herr Dr. Jannis Matkovic, LL.M., für seine Arbeit »Die Baubeschreibungspflicht des Unternehmers im neuen Verbraucherbauvertrag – ein Beitrag zur effektiven Verbesserung des Verbraucherschutzes?«. Die zwei Preisträger im Baurecht sind beide Doktoranden der Philipps-Universität Marburg.
Der Preis für die beste baubetriebliche Veröffentlichung ging an Dr. Ing. Sebastian Scharpf zum Thema »Projektmanagement von Bauprojekten mit integriertem Projektabwicklungsmodell mit Mehrparteienvertrag.«
Diskussion der Thesen in den Arbeitskreisen
Nach der Mittagspause ging es ab 13:30 Uhr weiter in den Arbeitskreisen um richtig spannende Themen auf einem sachlichen faktenfundierten Fundament. Die Redaktion »Der Bausachverständige« hat die Diskussion in den gemeinsam tagenden Arbeitskreisen V (Normung) und VI (Sachverständige) in den Räumlichkeiten der Volksbank Hamm begleitet. Unter der Leitung von Rechtsanwalt Michael Halstenberg und Prof. Matthias Zöller referierten Christine Buddenbohm vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und Prof. Matthias Zöller sowie unser Beirat Dipl.-Ing. Helge-Lorenz Ubbelohde: »Als Sachverständiger muss ich Normen beherrschen. Bei der Flut an Normen und Aktualisierungen, die ich jeden Monat bekomme, habe ich den Eindruck, die Normen beherrschen mich.«
Am zweiten Tag des 9. Deutschen Baugerichtstags ging es am Vormittag weiter mit den Sitzungen in den Arbeitskreisen. Der zugehörige Thesenband mit den Initialbeiträgen steht in elektronischer Form zum Download zur Verfügung.
Im Arbeitskreis V/VI (Normung/Sachverständige) hatten die Arbeitskreisleiter und Referenten die am Vortag diskutierten Thesen zusammengefasst. Nun wurde unter der Leitung von Rechtsanwalt Michael Halstenberg und Prof. Matthias Zöller intensiv weiterdiskutiert, an den Formulierungen gefeilt und eine Beschlussvorlage für das Plenum erarbeitet. Das Fazit: Normung soll transparenter werden, was sich an die 160 »Regelsetzer« als Herausgeber technischer Empfehlungen und Regelwerke (u.a. DIN, VDI, VDE/DKE) in Deutschland richtet.
Vorstellung der Empfehlungen der Arbeitskreise
Der eindrucksvolle Schlussakkord eines jeden Baugerichtstags war die Präsentation der Empfehlungen aus allen Arbeitskreisen im Plenum des Kurhauses Bad Hamm.
Hier stellten die Arbeitskreisleiter ihre Empfehlungen an den Gesetzgeber und die Baubeteiligten vor. Es zeigte sich, wie unglaublich detailliert und komplex auf höchstem Niveau in den einzelnen Arbeitskreisen diskutiert wurde. Das Besondere an der Veranstaltung war aber der intensive persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Insofern ist der Deutsche Baugerichtstag »anders« als andere Fortbildungsveranstaltungen. Hier können sich Teilnehmende aktiv einbringen und das zukünftige Baurecht über die Empfehlungen mitgestalten.
Die Empfehlungen der Arbeitskreise im Wortlaut können Sie hier herunterladen.
Hinter den Kulissen sorgten auch diesmal der Geschäftsführer des DBGT, Rechtsanwalt Roland Kandel, und der Generalsekretär des DBGT, Rechtsanwalt und Notar Patrick Holtmann, mit ihrem Team rund um Frau Senay Yilmaz für einen reibungslosen und perfekten Ablauf der Tagung.
Der 10. Deutsche Baugerichtstag findet am 23./24. Mai 2025 wieder in Hamm (Westfalen) statt.