BauSV 6/2023


Rechtsprechungs-Report | Bauvertragsrecht


Eva-Martina Meyer-Postelt


Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verzugsschaden


1. Macht der Auftraggeber eines Gerüstgestellungsvertrags einen Anspruch auf Verzugsschadensersatz geltend, setzt dies voraus, dass der Auftragnehmer trotz Fälligkeit nicht geleistet hat und er nach Eintritt der Fälligkeit gemahnt wurde oder eine Mahnung entbehrlich war.

2. Die Vorschrift des § 271 BGB, wonach der Auftraggeber die Leistung sofort verlangen kann, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, findet keine Anwendung, wenn die Parteien eine Vereinbarung über den Zeitpunkt der Leistungserbringung getroffen haben.

OLG Jena, Urteil vom 26.10.2023 – 8 U 794/22


Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der Beklagten Vergütung für die Gestellung von Gerüsten an sieben Hallen. Die Beklagte hatte den Auftrag, die Hallendächer zu sanieren, bevor auf diesen durch ein anderes, nicht am Verfahren beteiligtes Unternehmen eine Photovoltaikanlage errichtet werden sollte. Die Beklagte hat den Kläger mit der dazugehörigen Gerüstgestellung beauftragt. Der Kläger hat die Gerüste gestellt und nach Ausführung der Dacharbeiten wieder abgebaut.

Der Kläger hat die sieben Gerüste jeweils gesondert abgerechnet. Die Rechnungen für die Einrüstung der Hallen 2, 4 und 6 wurden bezahlt. Die Rechnungen für die Einrüstung der Hallen 1, 3, 5 und 7 in Höhe von insgesamt brutto 22.015,00 Euro wurden nicht bezahlt. Grund hierfür sind Beanstandungen und Gegenforderungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Errichtung der Gerüste an den Hallen 1 und 2. Die Parteien streiten über die vertragsgemäße Gestellung der Gerüste. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Ohne Erfolg.


Aus den Gründen

In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen fälligen Vergütungsanspruch in Höhe des vom Landgericht zutreffend zugesprochenen Zahlbetrages. Den vom Landgericht bejahten vertraglichen Vergütungsanspruch des Klägers aus dem Gerüstbauvertrag als solchem und dessen Fälligkeit beanstandet die Beklagte mit der Berufung nicht mehr. Die im Berufungsverfahren nur noch verfahrensgegenständlichen Gegenrechte, die die Beklagte bezüglich der Gerüstgestellung an Halle 2 geltend macht, stehen dieser nicht zu.

Der von der Beklagten geltend gemachte Verspätungsschaden bemisst sich nach den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 286 BGB. Danach kann die Beklagte nur dann Schadenersatz wegen Verzögerung geltend machen, wenn der Kläger trotz Fälligkeit nicht leistet und der Kläger nach Eintritt der Fälligkeit gemahnt wurde oder eine Mahnung entbehrlich war. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Fälligkeit folgt insbesondere nicht aus § 271 BGB. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist vorliegend schon nicht gegeben.

Nach § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Hier hat die Beklagte die Leistung ihrem eigenen Vortrag zufolge jedoch nicht sofort bzw. schnellstmöglich verlangt. Denn der Vertrag wurde Ende April 2018 erteilt, die Leistung aber erst Mitte 2018 für Ende Mai 2018 verlangt. Auch darauf kommt es letztlich aber nicht an. Denn die Parteien haben Vereinbarungen zum Zeitpunkt der Gerüstgestellung getroffen, was ebenfalls zur Unanwendbarkeit des § 271 BGB führt.

Nach der Vereinbarung der Parteien sollte die Gerüstgestellung an Halle 2 sukzessive erst nach Einrüstung der Hallen 3 bis 7 stattfinden. Insoweit hat das Landgericht unbeanstandet festgestellt, dass zunächst die Gerüste an den Gebäuden 6, 5, 4, 3 und 7 gestellt worden sind und erst im Anschluss die Gebäude 2 und 1 eingerüstet wurden. Die Gerüsterstellung erfolgte – so die Feststellungen des Landgerichts – hierbei in zeitlicher Hinsicht nicht gleichzeitig an allen Gebäuden, sondern nacheinander in Abhängigkeit des Baufortschritts. Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, wäre die Leistung nur fällig, wenn die Parteien der Beklagten ein einseitiges Bestimmungs– oder Abrufrecht eingeräumt hätten (§ 315 BGB).

Dafür ist aber ebenfalls nichts ersichtlich. Aus § 271 BGB folgt kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten, da diese Regelung lediglich den Fälligkeitszeitpunkt für bestimmte Sachverhaltskonstellationen festlegt. Selbst wenn von Fälligkeit per Ende Mai 2018 auszugehen sein sollte, stünde der Beklagten kein Schadenersatz zu, da es an einer Mahnung (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) fehlt und eine solche auch nicht entbehrlich war (§ 286 Abs. 2 BGB).

Eine Leistungsverweigerung des Klägers im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB steht nicht im Raume. Eine Mahnung war schließlich auch nicht im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 4 (i.V.m. § 271 Abs. 1) BGB entbehrlich, denn es liegen keine besonderen Gründe vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Eintritt des Verzuges rechtfertigen. Auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ist es vorliegend nicht angezeigt, den Verzug ohne weitere Leistungsaufforderung eintreten zu lassen.

Insbesondere hat die Beklagte ihre Behauptung, die Klägerseite habe über mehrere Jahre stets die einseitigen Terminvorgaben der Beklagten erfüllt und sich auch nie gegen die Verbindlichkeit solcher Termine verwahrt, nicht substantiiert. Ob ein solches Verhalten der Beklagten überhaupt einen besonderen Grund im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB darstellen kann, kann daher offen bleiben. Letztlich sind die Fälle des § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB durch das Fehlen schutzwürdiger Schuldnerinteressen gekennzeichnet. Auch dafür ist aber nichts ersichtlich.


Anmerkung

Wer Ansprüche wegen Verzug geltend machen will, ist regelmäßig gut beraten, wenn er im Streitfall nachweisen kann, dass er die Nichtleistung zum Fälligkeitszeitpunkt beim Leistungsschuldner angemahnt hat. Es gilt: Wer schreibt, der bleibt!

EMMP


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