BauSV 4/2024


Rechtsprechungsreport | Sachverständigenrecht


Eva-Martina Meyer-Postelt


Vergütung eines objektiv nicht verwertbaren Sachverständigengutachtens?


1. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Seine Vergütung bezieht sich nicht auf ein Werk, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts.

2. Sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens sind kein Maßstab für die Vergütung der Tätigkeit des Sachverständigen. Es kommt lediglich darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht worden ist, nicht aber darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen.

3. Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen ist ausnahmsweise zu versagen, wenn das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und das Gutachten deshalb im Prozess auch tatsächlich unberücksichtigt bleibt.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.11.2022 – 13 W 43/22


Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über Mängel bei der Errichtung eines Einfamilienhauses. Das Landgericht hat die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu acht Fragen beschlossen und den Sachverständigen SV1 beauftragt. SV1 hat dem Gericht mitgeteilt, dass er es für notwendig erachtet, dass vor Erstellung seines Gutachtens die Statik bzw. die Rohbauarbeiten im Gesamten durch einen Sachverständigen des Maurer- und Betonbauerhandwerks überprüft werden. Das Landgericht ordnet daraufhin eine entsprechende Ergänzung des Beweisbeschlusses an.

Es ernennt zum weiteren Sachverständigen hinsichtlich der Statik bzw. der Rohbauarbeiten den SV2. Das Gericht gibt dem SV2 auf, sich wegen der Gutachtenerstattung mit dem SV1 abzustimmen, was dieser auch tut. SV1 und SV2 führen gemeinsam einen Ortstermin durch. SV2 weist das Gericht darauf hin, dass er weitere Unterlagen benötigen würde und bittet den zuständigen Richter um Rücksprache – beides ohne Erfolg.

Schließlich legt der SV2 ein schriftliches Gutachten vor und rechnet seine Tätigkeit ab. Das Landgericht hält das Gutachten des SV2 für mangelbehaftet und nicht verwertbar und setzt dessen Vergütung auf 0,00 Euro fest, und begründet dies ergänzend auch damit, dass der SV2 von einer Partei zudem wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war.

Dagegen wendet sich der SV2 mit seiner sofortigen Beschwerde. Der SV2 weist u.a. darauf hin, dass er eine Vielzahl von Unterlagen des gerichtlichen bestellten Sachverständigen SV1 ausgewertet und versucht hat, mit dem Gericht die Problematik zu erörtern. Auf Grund der vorhandenen Rissbildung bei dem neu errichteten Haus könne von Fehlern am Gebäude ausgegangen werden. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.


Aus den Gründen

Die nach § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache insofern Erfolg, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben ist und das Verfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückzugeben ist. Nach herrschender Meinung, welcher sich der Senat anschließt, handelt der beauftragte Sachverständige nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Seine Vergütung bezieht sich nicht auf ein Werk, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts.

Deshalb sind sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens kein Maßstab für die Vergütung der Tätigkeit des Sachverständigen. Es kommt lediglich darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht worden ist, nicht aber darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen. Der Vergütungsanspruch ist gemäß § 8a Abs. 2 JVEG aber ausnahmsweise dann zu versagen, wenn das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und das Gutachten deshalb im Prozess auch tatsächlich unberücksichtigt bleibt.

Zu konstatieren ist, dass im vorliegenden Fall vom Landgericht per ergänzendem Beweisbeschluss bestimmt worden war, dass zum weiteren Sachverständigen hinsichtlich der Statik bzw. der Rohbauarbeiten der jetzige Beschwerdeführer SV2 ernannt worden war, dem das Landgericht aufgegeben hatte, sich wegen der Gutachtenerstattung mit dem Sachverständigen SV1 in Verbindung zu setzen. Eine fest umrissene Aufgabenstellung ist im Rahmen des ergänzenden Beweisbeschlusses nicht erfolgt und die Frage, ob überhaupt ein eigenes Gutachten durch SV2 zu erfolgen hat, blieb offen.

Es ist daher unklar, welche konkreten Zuarbeiten vom Beschwerdeführer SV2 für den Sachverständigen SV1 zu erbringen waren und ob diese Zuarbeiten in dessen Gutachten einfließen sollten. Auf die nachweislich erfolgten Bitten des Sachverständigen SV2 um Rücksprache mit dem zuständigen Richter ist jedenfalls nicht eingegangen worden. Insbesondere das Fehlen eines Bodengutachtens stellte den Sachverständigen SV2 vor Probleme, die einer Klärung bedurft hätten. Nicht in Abrede gestellt werden kann vom Landgericht, dass sich der Beschwerdeführer SV2 mit dem Sachverständigen SV1 in Verbindung gesetzt und mit diesem gemeinsam einen Ortstermin durchgeführt hat.

Weitere konkrete Aufgabenstellungen sind nicht an SV2 gerichtet worden. Demgegenüber hat er ein Gutachten erstattet, in welchem er bezüglich einiger Fragen auf die Notwendigkeit der Beantwortung durch den Sachverständigen SV1 verwiesen hat. Mangels einer konkreten eigenen Aufgabenstellung einerseits und der Erbringung von Zuarbeiten für den Sachverständigen SV1 andererseits kann ohne Rückfrage bei diesem nicht abgeklärt werden, ob die Arbeiten des Beschwerdeführers SV2 für die Gutachtenerstellung gemäß dem ursprünglichen Beweisbeschluss bedeutsam sind.

Ob diese Zuarbeiten objektiv mangelhaft oder nur zum Teil verwertbar waren, sodass der Beschwerdeführer SV2 gegebenenfalls für den verwertbaren Teil seiner Leistungen eine Vergütung erhält, hat das Landgericht durch Rücksprache mit dem Sachverständigen SV1 zu prüfen. Die Annahme des Landgerichts, das Gutachten des SV2 sei mangelhaft und daher sei die Vergütung gemäß § 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG auf 0,00 Euro festzusetzen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt und bedarf der Überprüfung.


Anmerkung

Soweit das Landgericht die Verweigerung einer Vergütung für den SV2 auch auf § 8a Abs. 2 Ziffer 3 JVEG gestützt hat, hat das OLG in demselben Beschluss noch festgestellt, dass der Annahme des Landgerichts, der Beschwerdeführer SV2 selbst habe Gründe geschaffen, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit hätte berechtigen können, nicht gefolgt werden kann. Die ablehnende Partei hatte in diesem Zusammenhang Formulierungen des SV2 in seinem Gutachten beanstandet.

Das OLG hat demgegenüber festgestellt, dass die aufgeführten Begrifflichkeiten vom SV2 im Zusammenhang mit den unstreitig vorhandenen Rissen, die als Mangel oder auch als Fehler des Bauwerks verstanden werden können, gebraucht worden sind. Damit hat der Beschwerdeführer aber lediglich die Problematik des Fehlens eines Baugrundgutachtens dargelegt. Aufgrund dieser schwierigen Sachlage gutachterlich tätig zu werden und zur Problemlösung beizutragen, kann nach Ansicht des OLG dem Beschwerdeführer SV2 nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Das OLG weist darauf hin, dass die Formulierung des SV2 in seinem Gutachten »nichts für den Bauherrn tun zu können« in diesem Kontext zu verstehen ist.

EMMP


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