1. Unterzeichnet ein Sachverständiger sein Gutachten gemeinsam mit einer weiteren Person mit dem Zusatz »Nach gemeinsamer Durchsicht«, so ergibt sich hieraus hinreichend deutlich die Übernahme der uneingeschränkten persönlichen Gesamtverantwortung für den Inhalt des Gutachtens.
2. Benennt ein Sachverständiger eine zur Gutachtenerstattung hinzugezogene Person oder den Umfang ihrer Tätigkeit entgegen § 407a Abs. 3 ZPO nicht, begründet dies regelmäßig keine Besorgnis der Befangenheit.
OLG Bamberg, Beschluss vom 17.09.2024 – 4 W 41/24
Zum Sachverhalt
Die Parteien streiten u.a. um Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen angeblichen Behandlungsfehlern durch die Beklagten. Das Landgericht hat die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung der Parteien die Sachverständige Prof. A. beauftragt. Im Gutachten hat die Sachverständige u.a. mit der Bemerkung »Nach gemeinsamer Durchsicht« darauf hingewiesen, dass sie in die Gutachtenerstattung ihren Mitarbeiter eingebunden hatte.
Zum Gutachten der Sachverständigen konnten die Parteien binnen einer vom Landgericht gesetzten Frist schriftsätzlich Stellung nehmen. Binnen dieser Frist hat die Klägerin die Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Klägerin ist u.a. der Meinung, dass die Sachverständige das Gutachten nicht persönlich erstellt habe. Die Beklagten sind dem Befangenheitsgesuch der Klägerin entgegengetreten. Die Sachverständige hat dazu keine Stellungnahme abgegeben. Das Landgericht hat den Ablehnungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Dieser hilft das Landgericht nicht ab und legt diese dem OLG vor.
Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden als Ablehnungsgrund aus. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Die Berufung auf den Umstand, dass die Sachverständige das Gutachten nicht persönlich erstellt habe, bleibt ohne Erfolg. Nach § 407a Abs. 3 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt.
Der Sachverständige muss für das Gutachten selbst einstehen. Entscheidend ist die uneingeschränkte persönliche Gesamtverantwortung. Die bloße Übernahme der Verantwortung durch Unterschrift genügt nicht. Erforderlich ist, dass die wissenschaftliche Auswertung auf seiner eigenen Prüfung und Beurteilung beruht und er die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt. Das muss sich aus der unterzeichneten Erklärung des Sachverständigen eindeutig ergeben.
Während nach der hierzu ergangenen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung die bloße Unterzeichnung mit »einverstanden« insbesondere ohne eigene Plausibilitätsprüfung nicht genügt, ist der Satz »einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Beurteilung« ausreichend. Soweit hier die Sachverständige das Gutachten gemeinsam mit einer namentlich benannten Ärztin in Weiterbildung mit dem Vermerk »Nach gemeinsamer Durchsicht« unterzeichnet hat, ergibt sich daraus nach der Auffassung des Senats hinreichend deutlich die Übernahme der uneingeschränkten persönlichen Gesamtverantwortung durch die Sachverständige für den Inhalt des Gutachtens.
Während mit dem bloßen Vermerk »einverstanden« lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass man den Ausführungen anderer Personen möglicherweise nur im Ergebnis inhaltlich zustimmt und hiermit nicht notwendig eine vorangegangene kritische Prüfung des Inhalts verbunden sein muss, ergibt sich aus dem hier vorliegenden Passus, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung der Unterzeichnerinnen mit dem Gutachten stattgefunden hat und mit beiden Unterschriften nach gemeinsamer Durchsicht die Verantwortung für den gesamten Inhalt des Gutachtens übernommen werden soll.
Die von der Klägerin dargelegte Lesart des Vermerks dahingehend, eine Durchsicht könne sich auch auf grammatikalische Fehler oder Tippfehler beziehen, verkürzt zu Unrecht den der gewählten Formulierung aus objektiver Sicht einer vernünftigen Partei zugrunde zu legenden Inhalt. Unabhängig davon rechtfertigt ein Verstoß gegen die o.g. Pflichten gemäß § 407a Abs. 3 ZPO keinen Befangenheitsantrag. Benennt ein Sachverständiger eine zur Gutachtenerstattung hinzugezogene Person oder den Umfang ihrer Tätigkeit nicht, kann dies zwar Zweifel an seiner Eignung wecken. Da durch eine fehlende Eignung beide Parteien aber gleichermaßen benachteiligt sind, rechtfertigt der prozessuale Verstoß aus der Sicht der Partei nicht das subjektive Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen.
Anmerkung
Der Senat weist in seinem Beschluss ebenfalls darauf hin, dass mangelnde Sachkunde des Sachverständigen grundsätzlich keinen Schluss auf dessen Unparteilichkeit zulässt. Ein etwaiger Mangel der Sachkunde des Sachverständigen begründet die Besorgnis der Befangenheit deshalb nicht, weil auch insoweit die Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht betroffen ist. Einer mangelnden Sachkunde des Sachverständigen sehen sich vielmehr beide Parteien ausgesetzt. Das Prozessrecht gibt in den §§ 411, 412 ZPO dem Gericht und den Parteien ausreichende Mittel an die Hand, solche Mängel zu beseitigen und auf ein Gutachten hinzuwirken, das als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung geeignet ist.
Im Übrigen hatte die Klägerin ihr hiesiges Ablehnungsgesuch auch noch darauf gestützt, dass die Sachverständige zeitgleich wie die Beklagte zu 1) an der gleichen Universität studiert und promoviert hätte. Unabhängig davon, dass eine Behauptung von einem zeitgleichen Studium nebst Promotion an der gleichen Universität allein nicht per se für ein besonderes Näheverhältnis eines Sachverständigen zu einer gegnerischen Prozesspartei spricht, muss die Prozesspartei, die ihren Ablehnungsantrag genau darauf stützen will, dass der Sachverständige ein vermeintliches Näheverhältnis zu einer Prozesspartei nicht offengelegt hätte, ihr Ablehnungsgesuch unverzüglich nach eigener Kenntnis bzw. nach Ablauf des Zeitraums erheben, in dem der Sachverständige zur Mitteilung desselben gem. § 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen wäre.
EMMP
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