BauSV 1/2025


Bautechnik

Abb. 2: Keine zwingend konvektionsdichte Verlegung der Abdichtung bei Wasserbeanspruchung W1-E (Quelle: DIN 18533:2017-07, BWA-Richtlinien für Bauwerksabdichtungen Teil 1, mit Markierungen der Verfasserin)

Karin Leicht


Radonschutz? Pflichten und Fehlinterpretationen


Vorbemerkung

Die grundsätzliche Verpflichtung zum Radonschutz für alle Neubauten ergibt sich aus dem bereits seit 31.12.2018 gültigen Strahlenschutzgesetz, kurz StrlSchG, dort im § 123 Abs. 1:

»(1) Wer ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen errichtet, hat geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Zutritt von Radon aus dem Baugrund zu verhindern oder erheblich zu erschweren. Diese Pflicht gilt als erfüllt, wenn 1. die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlichen Maßnahmen zum Feuchteschutz eingehalten werden und 2. in den nach § 121 Absatz 1 Satz 1 festgelegten Gebieten zusätzlich die in der Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Maßnahmen eingehalten werden.«

Besondere zusätzliche Maßnahmen zum ohnehin vorzusehenden baulichen Radonschutz sind demnach noch für Neubauvorhaben in sog. Radonvorsorgegebieten zu treffen.

Für Bestandsgebäude hat die Gesetzgebung vorgesehen, dass Radonschutzmaßnahmen bei Vornahme von energetischen Sanierungen in Betracht gezogen werden sollen, vgl. § 123 Abs. 4 (wie vor):

(4) »Wer im Rahmen der baulichen Veränderung eines Gebäudes mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen Maßnahmen durchführt, die zu einer erheblichen Verminderung der Luftwechselrate führen, soll die Durchführung von Maßnahmen zum Schutz vor Radon in Betracht ziehen, soweit diese Maßnahmen erforderlich und zumutbar sind.«

Die bekannte juristische Wertung des Begriffs »Soll« wird an dieser Stelle nicht vertieft, nur kurz zusammengefasst im Sinne von »Soll bedeutet, wenn man kann, dann muss man auch«. Zu beachten ist dabei die Maxime, dass es um das Schutzziel »Mensch« geht. Vor schädlichen Einwirkungen durch Radon ist demnach nicht die Baukonstruktion zu schützen, anders als z. B. bei der Einwirkung durch Wasser, Frost, Klima und dergleichen, sondern Radonschutzmaßnahmen sind als Gesundheitsprävention demnach dort zu treffen, wo das Schutzziel Mensch sich aufhält und/oder arbeitet.

So ist auch zwischen Gebäuden mit Aufenthalts- und Wohnräumen in Untergeschossen und solchen, in denen dort lediglich untergeordnete, zeitlich kaum genutzte Abstellräume vorgesehen sind, zu unterscheiden. Inwiefern Untergeschosse dann durch offene oder geschlossene Treppenhäuser erschlossen sind und möglicherweise ein Luftverbund zu den Aufenthalts- und Arbeitsräumen in den darüber liegenden Geschossen besteht, kann demnach einen wesentlichen Unterschied für die Radonbelastung der Menschen darstellen. Mehrfamilienwohnhäuser und Gewerbegebäude mit abgeschlossenen Treppenhäusern können hier gegenüber offenen Einfamilienhäusern im Vorteil sein.

Es folgt eine nicht abschließend vollständige, exemplarische Auflistung möglicher Fehlinterpretationen im Zusammenhang mit der Beurteilung von Radon und dem baulichen Radonschutz.


Fehlinterpretation Nr. 1: Radonaktivitätskonzentration

Häufig besteht Unkenntnis darüber, dass die Radonkonzentration (eigentlich: Radonaktivitätskonzentration) im Tagesverlauf und auch im Jahresverlauf nicht konstant ist, sondern deutlichen Schwankungen unterliegt. Somit spielt es also bei Radonmessungen eine wesentliche Rolle, wann im Jahr und vor allem auch wie lange gemessen wird. Dies hatte auch die Gesetzgebung im Blick, indem zur Ermittlung der Radonaktivitätskonzentration in Innenräumen – in Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen – der Jahresmittelwert zu erfassen ist. Kurzzeitige Messungen sind zur Ermittlung eines möglichen Radonproblems in Innenräumen nicht geeignet.

Im StrlSchG sind mit den §§ 124 und 126 jeweils die über das Jahr gemittelte Radon-222-Aktivitätskonzentrationen zu bewerten, was konsequenterweise für die Beurteilung einer möglichen Radonproblematik eine einjährige Messung erfordert. Abweichend kürzere Messungen erfordern eine genaue fachliche Beurteilung des Messzeitraums, maßgeblich unter Bezugnahme auf die jahreszeitliche Variabilität der Radonkonzentration und der Ungenauigkeit infolge der verkürzten Messdauer.

Abb. 1 soll dies verdeutlichen und zeigt sowohl die mögliche Schwankungsbreite innerhalb eines Tageszyklus als auch im Jahresverlauf.


Fehlinterpretation Nr. 2: Feuchteschutz

Der Eintritt von Radongas erfolgt potenziell über alle erdberührten Bauteile infolge der Transportmechanismen Konvektion und Diffusion. Zu beachten sind somit hinsichtlich konvektivem Radoneintrag mögliche Luftdruckunterschiede zwischen der tendenziell im Überdruck befindlichen Bodenluft und der tendenziell aufgrund von Kaminsogeffekten im Unterdruck befindlichen Luft im Gebäude. Die konvektive Barriere stellt somit eine konvektions- / luftdicht hergestellte Gebäudehülle gegenüber den erdberührten Flächen dar.

Hinsichtlich diffusivem Radoneintrag kommt es auf die Konzentrationsunterschiede von Radongas in der tendenziell hoch konzentrierten Bodenluft und der gering konzentrierten Luft im Gebäude an. Die diffusive Barriere stellt somit eine ausreichend diffusionsdichte, gering kapillaraktive Baukonstruktion mittels geeigneter Baustoffe dar.

Im oben zitierten § 123 Abs. 1 hat die Gesetzgebung die Fiktion vorgesehen, dass der »Feuchteschutz nach den anerkannten Regeln der Technik« bereits ausreichend sei, um einen geeigneten baulichen Radonschutz zu erzielen.

Im Rahmen der fachkundigen Leserschaft braucht an dieser Stelle nicht erwähnt zu werden, dass sich der Feuchteschutz wesentlich komplexer gestaltet als »entweder man hat ihn, oder nicht«. Wurden Vertreter der damaligen Gesetzgebung darauf angesprochen, dass sich in dieser gesetzlich verankerten Fiktion ein echtes Damoklesschwert für die Bauschaffenden befindet, kam die Antwort (wörtliches Zitat): »Ja gibt's denn dieses drückende Wasser wirklich?!«

Abdichtungsbauweisen nach der Einwirkungsklasse W1-E sind demnach nicht zwingend geeignet, einen funktionalen baulichen Radonschutz herzustellen, da die Bauweisen mit lose sich überlappenden Bahnen und Stößen nicht in allen Fällen auch Konvektionsdichtheit vorsehen, sodass ein Durchtritt von Radongas aus dem Untergrund möglich wird. Abb. 2 soll dies skizzenhaft verdeutlichen.


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