Abweichungen im optischen Erscheinungsbild von Fassaden aus Putz und Sichtmauerwerk bilden einen Schwerpunkt konträrer Auffassungen über die geschuldete Ausführungsqualität. Auf dem Weg zur Konfliktlösung ergeben sich Bewertungsfragen. Stellt die beanstandete Abweichung einen optischen Mangel dar oder ist sie so geringfügig, dass sie als sogenannte Bagatelle akzeptiert werden muss? Ist die Beseitigung eines bestehenden optischen Mangels obligatorisch oder kann alternativ ein Wertausgleich durch Minderung erfolgen? Und: In welcher Höhe wäre eine solche angemessen? Mit der Beantwortung dieser Fragen beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag.
Bedingt durch die handwerkliche Ausführung, teilweise auch durch die herstellungsbedingte Beschaffenheit der verwendeten Baustoffe, lassen sich Oberflächen von Fassaden aus Putz oder Sichtmauerwerk selbst bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt nicht immer absolut gleichmäßig herstellen. Insbesondere bei teilflächigen Ausbesserungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen ließe sich eine uneingeschränkte Gleichmäßigkeit nur mit aufwendigen und über das übliche Maß hinausgehenden Verfahren herstellen.
Die Bewertung optischer Abweichungen unterliegt wegen der objektabhängig unterschiedlichen Situation, die sich u.a. aus dem gebrauchsüblichen Betrachtungsabstand, der Bedeutung von Gebäude und Fassade und der Störwirkung ergibt, der Einzelfallbetrachtung. Allerdings kann man sich an vergleichbaren Fällen orientieren. Nachfolgend wird die Bewertung exemplarisch für drei Fallbeispiele dargestellt.
Optische Abweichungen lassen sich mithilfe der grafischen Darstellung in Abb. 1 über die Gewichtung des optischen Erscheinungsbildes und den Grad der optischen Beeinträchtigung (Störwirkung) in eine der drei farblich gekennzeichneten Zonen einordnen.
Befindet sich die Abweichung im grünen Bereich, so ist sie als Bagatelle zu akzeptieren. Dem gegenüber steht bei einer nicht zu akzeptierenden Abweichung (roter Bereich) eine Beseitigung des optischen Mangels durch Nachbesserung, ggf. Neuherstellung, an. Die Vereinbarung einer Minderung wird sich hier aufgrund der wesentlichen Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbildes auf besondere Situationen (z.B. Kaufpreisverhandlung beim Immobilienerwerb, einvernehmlicher Wunsch der Bauvertragspartner) beschränken.
Auch für Abweichungen im gelben Bereich – i.d.R. liegen diese unter 15% − besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Beseitigung des mangelhaften Zustands. Die Bewertung »noch akzeptabel« eröffnet aber die Option, den Zustand unverändert zu belassen und die Soll-Ist-Differenz über eine Minderung auszugleichen. Aus bestimmten Gründen, wie objektive Unverhältnismäßigkeit oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung und insbesondere auch bei Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, kann diese Alternative in bestimmten Fällen die angemessene Lösung darstellen.
Die aus der Abweichung resultierende Wertminderung kann mithilfe der grafischen Darstellung in Abb. 1 abgeschätzt werden, indem die Prozentangaben für das Gewicht des optischen Erscheinungsbildes (horizontal) und den Grad der optischen Beeinträchtigung / Störwirkung (vertikal) multipliziert werden (siehe die Fallbeispiele 2 und 3)
Der Grad der optischen Beeinträchtigung (Störwirkung) ist bei gebrauchsüblichen Bedingungen aus einer betrachtungsüblichen Entfernung zu bestimmen.
Bezugsgröße für die Abschätzung des Minderwerts sind die Herstellungskosten der betroffenen Fassade. Die Herstellungskosten entsprechen nach § 638 (3) BGB dem Wert im mangelfreien Zustand. Der wirkliche Wert (mit Mangel) ergibt sich nach Abzug des zu ermittelnden Minderwerts.
Abweichend vom klassischen Zielbaumverfahren nach Aurnhammer sollten nach Auffassung der Autoren bei der Ermittlung eines Minderwerts infolge eines rein optischen Mangels als Bezugswert 100% der Herstellungskosten zugrunde gelegt werden. Eine Aufteilung des Bezugswerts in Gebrauchs- und Geltungswert sowie die darüberhinausgehende Untergliederung dieser beiden Anteile in mehrere Einzelkriterien erscheint nicht sinnvoll. Dies wird anhand des folgenden Beispiels erläutert:
Fall A: Eine hochwertige Verblendfassade mit einem »sehr wichtigen« optischen Erscheinungsbild weist Beeinträchtigungen auf, deren Störwirkung als »kaum erkennbar«, im Grenzbereich zu »sichtbar«, bewertet wird. Die Einordnung erfolgt in den gelben Bereich der grafischen Darstellung in Abb. 1, an der Grenze zum roten Bereich. Die Parteien verständigen sich auf eine Minderung. Diese ergibt sich nach Abb. 1 zu maximal 15% der Herstellungskosten.
Ermittelt man den Minderwert auf der Basis des Aurnhammer-Verfahrens unter Ansatz eines Geltungswerts von 50%, so ergibt sich dieser zu 15% aus 50% der Herstellungskosten, d.h. 15 x 0,5 = 7,5% der Herstellungskosten. Bei zusätzlicher Aufsplittung des Geltungswerts in Einzelkriterien würde sich der Minderwert weiter reduzieren.
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