Abb. 2: Zugspannungs-Rissöffnungs-Beziehung [2]

Parinaz Arashnia, Thomas Jahn, Heinz Meichsner


Notwendige und mögliche Genauigkeit der Rissbreitenmessung im Stahlbetonbau


Einführung

Besteht für den Bauherrn die Vermutung, dass am Stahlbetonbauwerk auftretende Risse einen Mangel bzw. Schaden darstellen, können auf seine Veranlassung die Rissbreiten durch einen Sachverständigen gemessen und beurteilt werden. Auf der anderen Seite erfolgt der rechnerische Nachweis der Rissbreiten in der Planungsphase an jedem Stahlbetonbauwerk / -bauteil. Durch den rechnerischen Nachweis soll die Gebrauchstauglichkeit gewährleistet werden. Große Rissbreiten führen zur Beeinträchtigung des Korrosionsschutzes der Bewehrung. Sie können somit die langfristige Tragfähigkeit des Bauteils gefährden. Andere Stahlbetonbauwerke, wie z.B. Behälter, müssen dicht sein, um zu funktionieren. Zudem wirken offene Risse optisch störend, da sie bei Nutzern Bedenken hinsichtlich der Tragsicherheit auslösen können. Die rechnerische Begrenzung der Rissbreiten ist somit ein grundlegender Bestandteil der Bemessungsaufgabe bei Stahlbetonbauteilen.

Oft wird jedoch der rechnerisch ermittelte Wert der Rissbreite mit der tatsächlich auftretenden Rissbreite verglichen und ggf. bei Abweichungen ein Schadensfall diagnostiziert. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise untauglich ist. Durch den rechnerischen Nachweis soll das Auftreten breiter Einzelrisse verhindert werden, er soll nicht die explizite Einhaltung am Bauteil nachmessbarer Grenzwerte der Rissbreite sicherstellen [1].


Generell werden Rissbreitenmessungen in zwei Fällen durchgeführt:

1. Messen der Breiten vorhandener Risse an Bauteilen
In der Regel werden die Rissbreiten bestimmt, um die Gefährdung eines Bauteils abzuschätzen. Die Rissbreitenmessung erfolgt ausschließlich mittels optischer Verfahren (Rissmesslupe oder Rissbreitenlineal).

2. Einstellen definierter Rissbreiten an experimentell untersuchten Stahlbetonbauteilen
Die Erzeugung und das Messen definierter Rissbreiten findet ausschließlich bei wissenschaftlichen Untersuchungen Anwendung. Die untersuchten bewehrten Betonbauteile mit eingestellten Rissbreiten werden der Bewitterung oder dem Einfluss korrosionsfördernder Substanzen (z.B. gelösten Tausalzen) ausgesetzt, um den Zusammenhang zwischen Rissbreite und Korrosionsgrad empirisch zu ermitteln. Das Einstellen der Rissbreiten erfolgt unter weggesteuerter Beanspruchung und wird zeitgemäß mittels Setzdehnungsmessern oder induktiven Wegaufnehmern durchgeführt.

Deutlich wird, dass der optischen Rissbreitenmessung am gerissenen Bauteil in der modernen Forschung eine Messung des Wegs der Rissuferverschiebung im Experiment vorausgeht. Hier geht man jedoch fälschlicherweise davon aus, dass Wegmessung und optische Messung gleiche und vergleichbare Rissbreitenwerte liefern.

Dieser Beitrag beschreibt die Abweichungen der Ergebnisse von Rissmessungen mittels beider Rissmessarten an zentrisch beanspruchten bewehrten Stahlbetonzugkörpern.


1 Aufgabenstellung

Risse gehören im Stahlbetonbau zu den häufigsten Erscheinungen. Trotzdem ist im Normenwerk wenig darüber zu finden. Lediglich für die sog. Rechenwerte der Rissbreite gibt es ein genormtes Berechnungsverfahren. Für reale, am Bauteil auftretende Risse gibt es keine Regelungen in den Normen bzgl. der messtechnischen Bestimmung der Rissbreiten.

Jeder Sachverständige, der Unregelmäßigkeiten oder Schäden an Stahlbetonbauwerken zu begutachten hat, muss sich mit Rissen auseinandersetzen, Rissbreiten messen und bewerten. Wegen der fehlenden Regelungen ist das schwer und oftmals nicht eindeutig möglich. Kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, ist dieser Zustand unbefriedigend.

Bereits die Rissbreitenmessung ist mehrdeutig. Je nach dem gewählten Messverfahren (optische Messung, Wegmessung) werden am gleichen Riss unterschiedliche Messwerte für die Rissbreite gewonnen. Die Auswertung von Rissbreitenmessungen bietet auch einen Spielraum, der bei unterschiedlichen Personen zu Messdifferenzen führt.

In Abb. 1 ist ein Trennriss dargestellt, wie er an der Bauteiloberfläche zu sehen ist. Es ist nicht einfach nur ein Spalt mit zwei Rissufern als Begrenzung, sondern ein unregelmäßig geformter Spalt mit veränderlicher Spaltbreite und mit anderen Unregelmäßigkeiten (Verzweigungen und Unterbrechungen).

Es ist üblich, für einen Riss nur einen einzigen Wert der Rissbreite anzugeben. Das erscheint bei dem Riss in Abb. 1 sehr fragwürdig. Normalerweise sind Verfahrensweisen zur versuchstechnischen Bestimmung der Bauteil- und Materialkenngrößen in einer Prüfnorm geregelt, die es aber leider für die Rissbreitenmessung nicht gibt. Im Normenwerk existieren keine zulässigen Rissbreiten für Messwerte, sondern lediglich für Rechenwerte.


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