Abb. 3: Aufwendige nachträgliche Sockeldämmungen können bei einem neuen Wärmedämm-Verbundsystem entfallen, wenn das Lüftungskonzept die tatsächlich verbleibende Wärmebrücke berücksichtigt

Martin Beike


Lüftungskonzepte für Bestandsgebäude

Bedarfsgerecht, wirtschaftlich und rechtssicher


Dichtere Gebäudehüllen durch besser wärmedämmende neue Fenster senken den Luftaustausch. Schimmelbefall in Wohnungen kann die Folge sein. Effektives händisches Fensterlüften, gegebenenfalls kombiniert mit richtig bemessenen lüftungstechnischen Maßnahmen, wirken dem entgegen. TÜV SÜD empfiehlt, Lüftungskonzepte auf den Bedarfsfall auszurichten. Das verhindert Schäden, spart Kosten und gibt Betreibern Rechtssicherheit.

Wohngebäude müssen möglichst luftdicht sein, um Lüftungswärmeverluste zu minimieren. Das schreibt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) [1] vor. Erforderlich ist dennoch ein Mindestluftwechsel, der zum Feuchteschutz der Bausubstanz beiträgt – und damit Schimmelbefall verhindert. Das gilt auch bei urlaubs- oder berufsbedingter Abwesenheit der Bewohner. Zudem ist die hygienische Raumluftqualität nachzuweisen.

Die Anforderungen an die dafür benötigten Luftwechselraten sind im DIN-Fachbericht 4108-8 [2] und der Lüftungsnorm DIN 1946-6:2019-12 [3] festgelegt. Demzufolge ist nicht nur für Neubauten ein Lüftungskonzept zu erstellen, sondern auch für Bestandsbauten, wenn zum Beispiel ein nennenswerter Fensteraustausch in einer Nutzungseinheit geplant wird. Der DIN-Fachbericht schließt das händische Fensterlüften in Kombination mit Lüftungsanlagen ein, in der Lüftungsnorm hingegen findet es beim Nachweis des Feuchteschutzes keine Berücksichtigung (siehe Infokasten 1).


Vier wesentliche Schutzziele verfolgen

Die Luftdichtheit wird mit neuen Fenstern verbessert. Dadurch kann aber die relative Luftfeuchtigkeit in der Wohnung ansteigen und damit auch die Gefahr für einen Schimmelbefall an kritischen Wärmebrücken. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, zeit- und kostenintensive Schadensbehebungen, Belastungen des Mietverhältnisses bis hin zu Rechtsstreitigkeiten können die Folge sein. Zur Planung eines Fensteraustauschs gehört deshalb ein belastbares Lüftungskonzept, das den klimatischen Feuchteschutz als ein wesentliches Schutzziel bei der Wohnraumlüftung sicherstellt.

Gleichzeitig ist aber auch die Raumlufthygiene zu berücksichtigen, insbesondere wenn nachts aufgrund des Außenlärms nicht kippgelüftet werden kann. Um dieses Schutzziel zu erreichen, sind bestimmte Stoffe in der Raumluft zu limitieren. Dazu gehören zum Beispiel die CO2-Konzentrationen, Ausdünstungen aus Möbeln in Form von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), aber auch Gerüche und sogar Zigarettenrauch.

Ein weiteres Schutzziel ist der sommerliche Wärmeschutz. Gemäß DIN 4108-2 [4] kann dafür die nächtliche Fensterlüftung angesetzt werden, um die über Tag durch die Sonneneinstrahlung erwärmten Räume wieder abzukühlen. Dafür können auch lüftungstechnische Maßnahmen herangezogen werden. Und schließlich ist die Energieeinsparung als Schutzziel zu beachten. Wenn die Transmissionsverluste über Außenbauteile durch energetische Maßnahmen verringert werden, wächst der prozentuale Anteil der Lüftungswärmeverluste am Energieverbrauch. Aus energetischer Sicht sind deshalb beispielsweise in Schlafzimmern dezentrale Wohnraumlüfter mit Wärmerückgewinnung eine sinnvolle Lösung, um die Basislüftung zum klimatischen Feuchteschutz sicherzustellen.


Wo und wann ist mit Schimmelbefall zu rechnen?

Eine erhöhte Oberflächenfeuchte begünstigt die Schimmelbildung. Bevorzugt tritt diese an kalten Außenbauteilen beziehungsweise Außenwänden – also an Wärmebrücken – auf, wenn die relative Luftfeuchtigkeit auf der kühlen Bauteiloberfläche auf circa 80% ansteigt (Abb. 1). Oftmals weniger im Blick, aber genauso entscheidend, ist die Luftbewegung. Stehende Luft, beispielsweise weil Möbel direkt vor den Wänden stehen, begüns­tigt den Schimmelbefall. Strömende Luft hingegen verhindert ihn.

Ebenso kann Bauteilfeuchte aus aufsteigender Feuchtigkeit aufgrund nicht abgedichteter gemauerter Kelleraußenwände oder sonstiger Undichtigkeiten eine Schimmelbildung begünstigen. Gerade im Sockelbereich von Erdgeschosswohnungen kommt es immer wieder zu solchen Überlagerungen.


Realistische Feuchteproduktion berücksichtigen

Die relative Luftfeuchtigkeit in einer Wohnung hängt von folgenden Faktoren ab: der Feuchteerzeugung, abhängig vom Nutzerverhalten, der Belegung, gegebenenfalls auch der Bauteilfeuchte aufgrund unzureichender Abdichtung, der Raumtemperatur im Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, in Treppenräumen etc., dem Außenklima (Temperatur, absolute Luftfeuchtigkeit) und der Luftwechselrate.

Eine entscheidende Rolle für die absolute Luftfeuchte in den Räumen spielt die Wasserdampfabgabe. Während Menschen bei leichten Aktivitäten 50 Gramm pro Stunde abgeben, sind es beim Duschen 300 Gramm je Duschvorgang und beim Kochen 700 Gramm am Tag. Durch das kurzzeitige und saisonale Pufferungspotenzial, zum Beispiel durch Speicherung von Wasser in Bauteilen bei hoher Luftfeuchtigkeit im Sommer, kann der Feuchteschutz begünstigt oder verschlechtert werden. Deshalb ist es entscheidend, für das Lüftungskonzept einer Wohnung die realistische Feuchteproduktion zu berücksichtigen und daraus bedarfsgerechte lüftungstechnische Maßnahmen herzuleiten.

Die relative Luftfeuchtigkeit ist temperaturabhängig. Je wärmer die Luft ist, umso mehr Wasser kann sie aufnehmen. Daraus ergeben sich zwei gegenläufige Phänomene: Bei kalter Außentemperatur ist die Wärmebrücke auf der Raumseite kühler und deshalb gefährdet für einen Schimmelbefall. Im Winter ist andererseits die Außenluft aber auch trockener als im Sommer und damit das Trocknungspotenzial je Lüftungsvorgang hoch, sodass die relative Luftfeuchtigkeit in der Wohnung, und damit die Gefahr für einen Schimmelbefall, abnimmt.

Beides bedingt, dass rein rechnerisch betrachtet die zum Feuchteschutz erforderliche Luftwechselrate im Sommer sogar höher ist als im Winter. In der warmen Jahreszeit wird aber mehr über Fenster gelüftet als im Winter, sodass Schimmelbefall im Sommer eher in erdberührten Souterrainwohnungen ein Thema ist.


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