Die Kosten, die einer Partei zur Schaffung der Voraussetzungen für die Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen, entstanden sind, stellen jedenfalls dann keine Gerichtskosten dar, wenn der Beweisbeschluss vorsieht, dass erforderliche Bauteilöffnungen von der beweisbelastenden Partei auf deren Kosten vorzunehmen sind.
OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.5.2020 – 2 W 1728/20
Zum Sachverhalt
In einem Rechtsstreit ordnet das Gericht zur Klärung von Mängeln an einem Bauvorhaben, die die Klägerin behauptet hat, eine Begutachtung mittels Sachverständigengutachten an. Für den Fall, dass der beauftragte Sachverständige eine Bauteilöffnung für erforderlich hält, ordnet das Gericht an, dass die Klägerin für eine solche auf ihre Kosten zu sorgen hat. Der Sachverständige hält eine Bauteilöffnung für erforderlich, für die die Klägerin auch sorgt.
Nach Erstellung des Gutachtens schließen die Parteien bei Gericht einen Vergleich und einigen sich gleichzeitig auf Kostenaufhebung. Im Kostenfestsetzungsverfahren will die Klägerin durchsetzen, dass die von ihr verauslagten Kosten für die vom Sachverständigen benötigte Bauteilöffnung zur Hälfte von dem Beklagten zu tragen sind. Mit ihrem entsprechenden Kostenfestsetzungsantrag hat die Klägerin weder beim Landgericht noch beim OLG Erfolg.
Aus den Gründen
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts hat in der Sache keinen Erfolg. Die im Vergleich vereinbarte Kostenaufhebung bedeutet, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Daneben fallen den beiden Parteien die Gerichtskosten (Gerichtsgebühren und Auslagen einschl. Sachverständigenkosten) jeweils zur Hälfte zur Last.
Da hiernach eine Erstattung außergerichtlicher Kosten entfällt, kommt eine Kostenfestsetzung – sieht man von einer solchen des Prozessbevollmächtigten gegen die eigene Partei ab – nur wegen verauslagter Gerichtskosten in Betracht. Hiervon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen. Die Kosten, die der Klägerin im Zusammenhang mit der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen für die Öffnung und Verschließung des Fundaments entstanden sind, sind keine Gerichtskosten.
Ob einem gerichtlichen Sachverständigen durch das Gericht aufgegeben werden kann, notwendige vorbereitende Arbeiten zur Schaffung der Voraussetzungen für seine Gutachtenserstattung auszuführen bzw. durch beauftragte Hilfskräfte ausführen zu lassen, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Darüber hinaus wird die Verpflichtung eines Sachverständigen in Abrede gestellt, geöffnete Bauteile wieder zu verschließen.
Unabhängig davon hat der Sachverständige im vorliegenden Fall weder eine gerichtliche Weisung zur Bauteilöffnung erhalten noch hat das Landgericht bzw. der Senat ihn zur Folgenbeseitigung angehalten. Der Sachverständige hat entsprechende Arbeiten auch nicht von sich aus ausgeführt oder Hilfskräfte damit beauftragt. Die erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen wurden vielmehr im Auftrag der Klägerin auf deren Kosten durchgeführt und in der Folge die Fundamentöffnung wieder verschlossen.
Demgemäß ist der Sachverständige von der Staatskasse nicht für Arbeiten im Zusammenhang mit der Öffnung und Verschließung des Fundaments gemäß § 413 ZPO, §§ 8 ff. JVEG entlohnt worden; es sind insoweit keine Auslagen des Gerichts im Sinne von Nr. 9005 KV-GKG entstanden.
Anmerkung
Ausdrücklich hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Beschluss die Frage, ob eine Behandlung von (außergerichtlichen) Kosten einer Partei als Gerichtskosten – in entsprechender Anwendung von §§ 677, 683, 670 BGB – in Betracht kommt, nicht behandelt, weil diese wegen der besonderen Umstände hier dahingestellt bleiben konnte. Denn einer solchen Überlegung stand im vorliegenden Fall jedenfalls der ausdrückliche Hinweis im gerichtlichen Beweisbeschluss entgegen, der wie folgt lautete: »Soweit Bauteilöffnungen durchzuführen sind, sind diese – nach Anweisung und unter Aufsicht des Sachverständigen – von der Klägerin auf ihre Kosten vorzunehmen.«
Fragen zur Vergütung im Zusammenhang mit erforderlichen Bauteilöffnungen sind nicht einheitlich zu beantworten, da es auch insoweit immer auf den jeweiligen individuellen Sachverhalt ankommt. Sind Bauteilöffnungen von der gutachterlichen Tätigkeit des Sachverständigen auftragsgemäß umfasst, werden sie dem Sachverständigen nach dem JVEG vergütet. In dem Fall handelt es sich um Gerichtskosten.
Geht der Sachverständige dagegen eigeninitiativ vor – wovon dringend abzuraten ist – entfällt ein Vergütungsanspruch nach dem JVEG. Ob sich dann zugunsten des Sachverständigen ein Vergütungsanspruch aufgrund der Vorschriften des BGB ergeben könnte und gegen wen dieser dann zu richten ist, ist unsicher.
Benötigt der Sachverständige also eine Bauteilöffnung, sollte er stets auf einer Klarstellung des Gerichts bestehen, wer die Bauteilöffnung und -verschließung zu initiieren und zu bezahlen hat. Jedenfalls für die Bauteilöffnung und -verschließung sollte richtigerweise stets die beweispflichtige Partei Sorge tragen müssen.
EMMP
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