1. Befindet sich der von einem Bauträger mit der Errichtung einer Fahrstuhlanlage beauftragte Bauunternehmer in Verzug, sind sämtliche Zahlungen, die der Bauträger an die Erwerber der Wohnungen wegen der verspäteten Fertigstellung der Fahrstuhlanlage geleistet hat, als ersatzfähige Verzugsschäden anzusehen.
2. Mit Vereinbarungen zwischen dem Bauträger und den Erwerbern, wonach die Übergabe der Wohnungen unter Freigabe der letzten Rate aus den Bauträgerverträgen zu vollziehen und den Erwerbern zur Kompensation für den fehlenden Fahrstuhl bis zu dessen Einbau einen Betrag von 1.000 Euro monatlich zu zahlen ist, kann das Risiko der Entstehung deutlich höherer Schäden begrenzt werden.
OLG Hamburg, Urteil vom 26.1.2022 – 4 U 52/21
BGH, Beschluss vom 14.12.2022 – VII ZR 40/22 (NZB zurückgewiesen)
Zum Sachverhalt
Die Klägerin schloss mit der Beklagten zwei Verträge über die Errichtung je eines Fahrstuhls für zwei Mehrfamilienhäuser. Die Planung und Errichtung der beiden Mehrfamilienhäuser oblag der Klägerin als Bauträgerin. Die einzelnen Eigentumswohnungen in den Mehrfamilienhäusern verkaufte die Klägerin an diverse Erwerber. Der Beklagten gelang der Einbau der Fahrstühle in beiden Mehrfamilienhäusern nicht termingerecht, während die Mehrfamilienhäuser im Übrigen im geplanten Zeitrahmen fertiggestellt wurden.
Da aber die von der Klägerin verkauften Eigentumswohnungen wegen der verspäteten Herstellung der Fahrstühle an die Erwerber nicht termingerecht übergeben werden konnten, vereinbarte die Klägerin mit den Erwerbern eine monatliche Kompensationszahlung von Euro 1.000,00 bis zur Fertigstellung der Fahrstühle mit der Maßgabe, dass die Erwerber schon vor dem Einbau der Fahrstühle in die Wohnungen einziehen und die letzten Raten aus den Bauträgerverträgen freigeben.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sich die Beklagte mit dem Einbau der Fahrstühle in Verzug befunden habe. Sie hat behauptet, ihr seien dadurch Verzugsschäden in Höhe von insgesamt Euro 81.333,33 entstanden. Die Beklagte hat dies nach Grund und Höhe in Abrede gestellt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Euro 73.411,13 nebst Zinsen sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Ohne Erfolg.
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung des tenorierten Verzugsschadens und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. In zweiter Instanz ist unstreitig, dass sich die Beklagte bei beiden Bauvorhaben in Verzug mit der Erfüllung der von ihr übernommenen Leistungspflichten befunden hat. Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, wonach das Landgericht sie rechtsfehlerhaft zum Ersatz des Verzugsschadens verurteilt habe, weil die Klägerin einen Schaden – jedenfalls in der geltend gemachten Höhe – nicht nachgewiesen habe, teilt das Berufungsgericht nicht.
Das Landgericht hat zutreffend die gesamten Zahlungen, die die Klägerin an die Erwerber der Wohnungen wegen der verspäteten Fertigstellung der Fahrstuhlanlagen geleistet hat, als ersatzfähigen Verzugsschaden angesehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der von der Klägerin geltend gemachte Schaden keineswegs überhöht.
Bei seiner rechtlichen Bewertung hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Erwerber nicht verpflichtet waren, das Gemeinschaftseigentum vor dem Einbau des Fahrstuhls abzunehmen. Die Klägerin hatte mit den Erwerbern ausweislich der vorgelegten Bauträgerverträge verbindliche Fertigstellungstermine vereinbart. Da diese Fertigstellungstermine aufgrund des Verzugs der Beklagten nicht eingehalten werden konnten, stand die Klägerin vor der Problematik, sich entweder mit den Erwerbern über einen (vorzeitigen) Einzug ohne Fahrstuhl zu einigen oder die – im Übrigen fertig hergestellten – Eigentumswohnungen nicht vor Fertigstellung der Aufzüge übergeben zu können.
Zur Lösung dieser Problematik bot die Klägerin den Erwerbern an, entweder den Übergabetermin bis zum Einbau der Fahrstuhlanlage zu verschieben oder die Übergabe vertragsgemäß unter Freigabe der letzten Rate aus den Bauträgerverträgen zu vollziehen und den Erwerbern zur Kompensation für den fehlenden Fahrstuhl bis zu dessen Einbau einen Betrag von Euro 1.000,00 monatlich zu zahlen. Bei Annahme einer dieser von der Klägerin angebotenen Möglichkeiten würde sich für die Klägerin das Risiko eines Rücktritts der Erwerber, der zu erheblich höheren Kosten geführt hätte, nicht verwirklichen.
Das Landgericht hat insoweit zu Recht u.a. auf die im Falle eines Rücktritts entstehenden Kosten der Vertragsrückabwicklung einschließlich der Notar- und Gerichtskosten hingewiesen. Für den Fall eines Einzugs der Erwerber trotz des Mangels des nicht vorhandenen Fahrstuhls hätten sich Ansprüche der Erwerber auf Zahlung von Nutzungsausfall ergeben. Zudem hätte dann für die Klägerin – wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – das Risiko bestanden, dass die Erwerber eine Ersatzvornahme veranlassen. Für den Fall eines verspäteten Einzugs der Erwerber in die Wohnungen hat das Landgericht zutreffend weitere mögliche Kosten wie die Finanzierung von Ersatzwohnraum für die Erwerber und höhere Finanzierungskosten auf Seiten der Klägerin für den Fall, dass die Erwerber die letzten Raten aus den Bauträgerverträgen bis zum Einbau der Fahrstühle vertragsgemäß zurückgehalten hätten, benannt.
Insgesamt stand die Klägerin aufgrund des Verzugs der Beklagten mit dem Einbau der Fahrstuhlanlagen vor dem Risiko, dass die Erwerber deutlich höhere Ansprüche gegen sie durchsetzen würden, als die Klägerin mit den Erwerbern sodann vereinbart hat. Angesichts der drohenden Schäden erweist sich die vereinbarte Lösung des fristgerechten Einzugs der Erwerber ohne die Fahrstühle bei Zahlung eines Betrags von Euro 1.000,00 monatlich bis zum Einbau der Fahrstühle als eine finanziell maßvolle Regelung, mit der die Klägerin ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen ist.
Dabei braucht den von der Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob sich die Ansprüche der Erwerber auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung wegen des fehlenden Fahrstuhls für alle Wohnungen auf einen Betrag von Euro 1.000,00 monatlich belaufen und ob der von der Klägerin dargelegte Finanzierungszinsschaden tatsächlich so hoch gewesen wäre, wie von der Klägerin im Rechtsstreit berechnet, angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten der Entstehung von hohen verzugsbedingten Schäden nicht weiter nachgegangen zu werden.
Nach umfassender Bewertung der Sach- und Rechtslage handelte es sich entgegen der Darstellung der Beklagten bei der Vereinbarung der von der Klägerin geleisteten Kompensationszahlungen an die Erwerber keineswegs um »anlasslose und freiwillige Zahlungen« der Klägerin. Vielmehr hat die Klägerin hiermit in wirtschaftlich vernünftiger und pragmatischer Weise mit Augenmaß das Risiko der Entstehung von deutlich höheren adäquat-kausalen Schäden begrenzt, was der ersatzpflichtigen Beklagten zugutegekommen ist.
Anmerkung
Ein geschuldeter, aber verzögerungsbedingt fehlender Aufzug in einem mehrstöckigen Mehrfamilienhaus ist ein wesentlicher Mangel, der die Erwerber zur Abnahmeverweigerung berechtigt hätte, selbst wenn alle anderen geschuldeten Werkleistungen fristgemäß und ordnungsgemäß, d.h. im Wesentlichen fehlerfrei, hergestellt waren. Dass die Urteilsbegründung gerade auch vor diesem Hintergrund zweifelsfrei zutreffend und angemessen ist, bedarf keines weiteren Kommentars.
EMMP
Weitere Urteile finden Sie in der Juni-Ausgabe von »Der Bausachverständige«.
Informationen zur Einzelheft- und Abo-Bestellung
Als Premiumabonnent haben Sie Zugang zur Recherche in unserer Rechtsprechungsdatenbank.