BauSV 2/2023


Baurecht


Johann Peter Hebel


Haftung von Planern und Sachverständigen bei Ausführungen außerhalb der anerkannten Regeln der Technik


Die Frage nach der Haftung von Planern und Sachverständigen bei der Planung und /oder Bauausführung außerhalb der anerkannten Regeln der Technik ist im Ergebnis und im Grundsatz zu bejahen. Dies gilt, obgleich in den die gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit zur Erbringung von Architekten- und Ingenieurleistungen darstellenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Begriff der anerkannten Regeln der Technik nicht vorkommt.

Insbesondere in der zentralen Vorschrift des § 633 BGB für die Mangelhaftung ist von anerkannten Regeln der Technik an keiner Stelle die Rede. Gleichwohl besteht weit über die Rechtsprechung und die juristische Literatur hinaus Konsens, dass die anerkannten Regeln der Technik als Mindeststandard sowohl beim Planen als auch beim Bauen grundsätzlich eingehalten werden müssen. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass Auftraggeber – aus welchen Gründen auch immer – von den anerkannten Regeln der Technik abweichen wollen.

Und gerade beim Bauen im Bestand ergeben sich immer wieder Situationen, in denen die Vorgaben aus den anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten werden können. Auch dann ist es Architekten und Ingenieuren natürlich möglich, vertragsgerecht und mangelfrei zu planen. Dabei sind jedoch besondere Anforderungen zu erfüllen.

Zudem gilt es bei der Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik häufig auch die diesbezüglichen Vorgaben aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zu berücksichtigen, um nicht die Deckung aus der Berufshaftpflichtversicherung zu verlieren.


Einführung

Formuliert man das Thema als Frage (etwa: »Haften Planer bei Ausführungen außerhalb der anerkannten Regeln der Technik?«), wird jede(r) mit Baurecht ansatzweise vertraute Befragte ebenso spontan wie überzeugt mit »Ja, klar« oder »Natürlich« antworten. Und in der Tat mutet es überraschend an, eine derartige Frage aufzuwerfen.

Wie so häufig lohnt jedoch ein zweiter Blick und es stellt sich die weitere Frage, ob dies tatsächlich so »klar« und »natürlich« ist. Haften Planende bei der von ihnen über die Planung angeordneten Bauausführung außerhalb der anerkannten Regeln der Technik tatsächlich und ist dies stets der Fall?

Es beginnt bereits mit der Tatsache, dass trotz der zumindest gefühlten Omnipräsenz des Begriffs der anerkannten Regeln der Technik in baurechtlichen Auseinandersetzungen, gerade auch im Zusammenhang mit Planungsleistungen, in den gesetzlichen Normen eine Definition fehlt, um was es sich bei diesen anerkannten Regeln der Technik überhaupt handelt und wie deren Inhalt zu bestimmen ist (hierzu nachstehend 1.).

Auch sucht man in den gesetzlichen Grundlagen für Architekten- und Ingenieurleistungen, d.h. den §§ 631 ff. BGB eine ausdrückliche Anordnung zur Haftung bei einer Ausführung außerhalb der anerkannten Regeln der Technik vergeblich (hierzu nachstehend 2.). Bejaht man (gleichwohl?) eine Haftung im Grundsatz, stellt sich die Frage, ob dies ausnahmslos gilt. Man denke beispielsweise an die gerade beim Bauen im Bestand häufig vorkommenden Fälle, in denen die baulichen Gegebenheiten eine Ausführung im Rahmen der anerkannten Regeln der Technik schlicht nicht zulassen oder in denen eine solche Ausführung zwar an sich technisch möglich, aufgrund entgegenstehender Vorgaben z.B. des Denkmalschutzes aber nicht umsetzbar ist.

Zumindest im Ergebnis vergleichbare Fallgestaltungen sind denkbar, wenn der Bauherr – aus welchen Gründen auch immer – eine von den anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung wünscht (hierzu nachstehend 3.). Schließlich ist zu fragen, wie es in den Fällen, in denen es zu einer Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik kommt und daher eine Mangelhaftung in Betracht kommen kann, mit dem Deckungsschutz aus der Berufshaftpflichtversicherung aussieht (hierzu nachstehend 4.).


1. Anerkannte Regeln der Technik

Grundlage der Tätigkeit von Sachverständigen und Planern sind die Bestimmungen des Werkvertragsrechtes des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Maßgeblich sind dort die Vorschriften der §§ 631 ff. In diesen Vorschriften taucht der Begriff der anerkannten Regeln der Technik [1] an keiner Stelle auf. Insbesondere fehlt im bundesdeutschen Recht eine gesetzesübergreifend verbindliche Begriffsbestimmung durch den Gesetzgeber, d.h. eine gesetzliche Definition (Legaldefinition). [2]

Die in der Rechtsprechung [3] und Literatur [4] herrschende Auffassung zur Frage, was unter den anerkannten Regeln der Technik zu verstehen ist, knüpft an eine strafrechtliche Entscheidung des Reichsgerichtes [5] aus dem Jahre 1910 zum Begriff der »allgemein anerkannten Regeln der Baukunst» im Sinne des § 330 StGB a.F. [6] an.

Danach sind anerkannte Regeln der Technik diejenigen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die (1) von den technischen Fachleuten als theoretisch richtig erkannt sind und die (2) in den einschlägigen Kreisen durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig angesehen werden. Etwas verkürzt formuliert kann man also sagen, dass anerkannte Regeln der Technik die Regeln sind, die als theoretisch richtig erkannt wurden und die sich in der Praxis bewährt haben.


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