BauSV 5/2023


Sachverständigenrecht


Jürgen Ulrich


Gutachter/Sachverständige und Urheberrecht


Privat beauftragte Gutachter und gerichtlich bestellte Sachverständige produzieren neue (Gutachten-)Werke; entsteht ihnen daran ein Urheberrecht? Bisweilen verarbeiten sie in ihren Gutachten Texte, Zeichnungen, Skizzen, Fotos aus Schriftwerken anderer Personen; haben sie dabei fremdes Urheberrecht zu beachten? Der Beitrag bietet praxisgerechte Antworten u.a. auf diese Fragen.

I. Vorbemerkung

Man stelle sich diese – alltäglichen – Szenarien vor: Der Bauherr beauftragt einen insoweit spezialisierten Baugutachter mit der Feststellung und gegebenenfalls weiteren Bewertung vermeintlicher Baumängel; alternativ: der Eigentümer lässt den Wert seiner Immobilie gutachterlich durch einen dafür besonders qualifizierten Fachmann ermitteln; alternativ: der geschädigte Hauseigentümer bestellt bei einem Sachverständigen ein schriftliches Gutachten betreffend seinen erlittenen Schaden.

Dieser Auftraggeber erhält dann das schriftliche Gutachten mit den darin eingearbeiteten oder per Anlage beigefügten Fotos und übersendet das Ganze zur Darstellung sowie Glaubhaftmachung seines Beseitigungs-, Ersatzbegehrens oder Schadensersatzanspruchs dem Bauunternehmer bzw. Architekten / alternativ: dem wegen Finanzierung bzw. Gewährung von Sicherheit angegangenen Bankinstitut oder dem Finanzamt / alternativ: dem mit der Leistungsprüfung und Auszahlung befassten Versicherer des Schadenverursachers. Bisweilen schickt schon der Gutachter seinen Gutachtentext mit darin enthaltenen Fotos im Auftrag des Gutachtenbestellers unmittelbar dorthin.


II. Allgemeines

Dann stellen sich diese Fragen:

  • Darf dieser Dritte das Gutachten mit den Fotos seinerseits an andere weiterleiten? Vertiefend: Liegt bei einer Überlassung dieses Gutachtens durch den Dritten an andere oder bei der vervielfältigenden oder veröffentlichenden Verwertung des Gutachtens durch andere ein Verstoß gegen ein Urheberrecht des Gutachters vor, der dieses Gutachten verfasst hat, gegebenenfalls mit welchen Konsequenzen?
  • Inwieweit hat ein privat engagierter Gutachter fremdes Urheberrecht zu respektieren?
  • Gelten Besonderheiten für den gemäß § 404 ZPO gerichtlich herangezogenen Sachverständigen?


1. Abgrenzung Urheberrecht – vertragliche Absprache mit Gutachtenbesteller zur Verwertung

Unter dem Urheberrecht versteht man das geistige Eigentum eines Menschen an einem von ihm geschaffenen Werk. Werke sind gem. § 2 Abs. 2 UrhG »persönliche geistige Schöpfungen«. Insoweit kommt es nicht auf eine besondere Werkhöhe, will heißen: ein erreichtes Niveau, des geschaffenen Produkts an.

Die Leistung muss nur individuell genug sein, um sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abzuheben; es müssen persönliche Züge des Produzenten, insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung, erkennbar werden; dem sog. Allerweltserzeugnis, der rein handwerklichen Leistung, die jedermann mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso zustande bringen würde, fehlt deshalb die für die Einordnung als Werk im Sinne des UrhG erforderliche Individualität.

Wenn der private Auftraggeber des schriftlichen Gutachtens und der Gutachter miteinander vereinbaren, dass keiner von ihnen das Gutachten einschließlich der Fotos ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen an Dritte weiterleiten darf, haben diese beiden sich daran zu halten. Verstößt einer von ihnen schuldhaft gegen diese Absprache, macht er sich dem anderen gegenüber aufgrund Vertragsverletzung unterlassungs- und gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Dies hat erst mal mit Urheberrecht gar nichts zu tun.

Ein solcher vertraglicher Anspruch kann aber zum einen nicht bereits daraus entstehen, dass der Gutachter ohne eine solche vorherige mit dem Auftraggeber getroffene Absprache eine entsprechende Bestimmung in seinen Gutachtentext oder in das Begleitschreiben einfügt. Es kann zum anderen nicht auch gegenüber demjenigen entstehen, dem das Gutachten abredewidrig herausgegeben worden ist, denn mit diesem ist der hierdurch in seinem vertraglichen Recht Verletzte nicht durch einen Vertrag verbunden.


2. Fundstelle für den Gesetzestext

Die im nachfolgenden Text angesprochenen Regelungen des »Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)« können Gutachter/Sachverständige kostenlos im Internet abrufen.


3. Urheberrecht des privaten Gutachters und des gerichtlichen Sachverständigen – Details

a) Grundlagen

aa) Zur-Kenntnis-Nehmen

Das Lesen, Anhören oder Betrachten, mithin das bloße Zur-Kenntnis-Nehmen, eines fremden Werks kann unter keinem Gesichtspunkt einen urheberrechtlich relevanten Vorgang beinhalten. Die Kopierfreiheit nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG räumt sogar das Recht ein, einzelne Vervielfältigungen eines urheberrechtlich geschützten Werks zum eigenen Gebrauch herzustellen. Dies gilt auch betreffend ein auf elektronischem Wege, also in Dateiform, erhaltenes Gutachten.

Wer also ein Gutachten übermittelt bekommt und dieses dann inhaltlich zur eigenen Kenntnis nimmt, begeht bloß dadurch noch keine Urheberrechtsverletzung. (Anderes kann für den Übermittler gelten, sofern das von ihm vorgenommene Weitergeben ein Verbreiten eines urheberrechtlich geschützten Werks darstellt.)

Erst bei der Verwertung der so erlangten Erkenntnisse durch den Empfänger kann ihn betreffend ein Verstoß gegen Urheberrecht in Betracht kommen. Stellt dieser ein urheberrechtlich geschütztes Werk, an dem er kein Verwertungsrecht hat und deshalb dann widerrechtlich handelt, in das Internet ein, kann er als Störer gem. § 97 UrhG haften.

Weil aber die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst den Eingriff vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers das Bestehen und Nichtbeachten von Prüfungspflichten betreffend, fremdes Urheberrecht voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den konkreten Umständen eine Prüfung abverlangt werden kann und zumutbar ist. Eine Urheberrechtsverletzung liegt aber nicht vor, wenn das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk wahrt, insbesondere andere Formulierungen und einen eigenständigen Aufbau verwendet.


bb) Bedeutung von Copyright-Hinweisen

Urheberrecht kann an einem Werk nicht bereits dadurch entstehen, dass der Werkhersteller dieses – etwa durch Aufnahme des Zusatzes: »Hier besteht Urheberrecht.« oder des Copyright-Zeichens »©« – als urheberrechtlich geschützt einstuft, weil ein solcher Vermerk nichts darüber aussagt, ob eine eigene geistige Schöpfung vorliegt. Ohnehin ist beachtlich, dass die bloße Verwendung dieses Copyright-Zeichens – etwa ohne Namenszusatz – die Vermutungswirkung eines bestehenden Urheberrechts nicht auslöst.

Urheberrechtlich bedeutsam ist der objektive Gehalt des Werks und nicht eine subjektive Vorstellung des Herstellers über eine etwaige urheberrechtliche Einstufung seines Produkts. Umgekehrt besitzt ein Werk, welches die Voraussetzungen des UrhG erfüllt, den Urheberechtsschutz auch dann, wenn keine nach außen erkennbare gesonderte Kennzeichnung dieses Werks als urheberrechtlich geschützt beigefügt ist.


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