»Die Justiz wird weiblich«. Diese Feststellung entstammt einem Artikel im SZ-Magazin [1], der bereits 2013 veröffentlicht wurde. Die Überschrift hierzu lautete: »Die neue Rechtsordnung – Über Jahrhunderte war die Justiz fest in der Hand der Männer. Jetzt übernehmen dort Frauen die Spitzenpositionen – und verändern das System gründlich.« Da drängt sich die Frage förmlich auf: Wie sieht es denn mit Frauen im Sachverständigenwesen aus? Wird auch das Sachverständigenwesen weiblich?
Es verändert sich auf jeden Fall etwas, das auch nach außen sichtbar ist. So hat die Fachzeitschrift »Bausachverständige« mit Beginn des Jahres 2024 das »Der« aus ihrem Titel gestrichen und einen neutralen Titel gewählt. Auch die Verbandzeitschrift des BVS e.V. wurde im letzten Jahr von »Der Sachverständige« in »Die Sachverständigen« umbenannt.
Braucht es dann auch noch einen Beitrag in einer Fachzeitschrift? Wir meinen »Ja!«.
Nun mögen die geneigten Leser zum Gendern stehen wie sie wollen, aber Sprache erzeugt nun mal Bilder im Kopf. Bei Berufen, in denen der Anteil von Frauen seit Jahrzehnten hoch ist, oder es »typische« Berufe wie Lehrerinnen sind, ist es üblich, bei einem weiblichen Arzt von Ärztin und bei einem weiblichen Lehrer von Lehrerin zu sprechen. So treibt es Frau regelmäßig ein Grinsen ins Gesicht, wenn in Gerichtsschreiben zu lesen steht: »Zum Sachverständigen wird bestellt Frau … Der Sachverständige möge …«
Der Anteil weiblicher Sachverständiger wächst, daher erscheint es konsequent, auch die Kolleginnen im Sachverständigenwesen »sichtbarer« zu machen.
Gerade im Bausachverständigenwesen wie auch in technischen Berufen sind traditionell Männer tätig, ausgehend von den Männerberufen des Bauhandwerks und der Architekten und Ingenieure. Doch auch in diesen Branchen steigen zwischenzeitlich mehr Frauen ein und sind längst keine »Exotinnen« mehr. So finden sich beispielsweise heute auf Baustellen auch immer mehr Bauleiterinnen. Demgegenüber sind im Handwerk weibliche Führungskräfte – Meisterinnen und Sachverständige – auch heute noch recht »seltene Exemplare«.
Zu Beginn unserer Tätigkeit vor über 20 Jahren war das noch völlig anders. Frauen am Bau bildeten eine absolute Ausnahme. So konnte es beim Betreten der Baustelle durchaus passieren, dass Frau gefragt wurde, ob sie die Brotzeit mitbringt. Die Möglichkeit, eine Frau könne gar handwerklich arbeiten, war vielen fremd. So war es schwierig, als Frau das für das Architekturstudium obligatorische Praktikum auf dem Bau nachzuweisen. Dazu bedurfte es eines Stücks Vitamin B. In den ersten Seminaren, die wir besuchten, nahmen wir oftmals als einzige Frau teil.
Um – abgesehen von unseren eigenen Erfahrungen – einen besseren Eindruck zu bekommen, was Frauen bewogen hat, Sachverständige zu werden und welche persönlichen Herausforderungen auf dem Weg zur ö.b.u.v. SV gemeistert werden mussten, haben wir einige Kolleginnen hierzu befragt.
Grundsätzlich sind die Motivationen, Sachverständige zu werden, vermutlich so unterschiedlich wie die Personen selbst.
Eine Kollegin teilte mit, dass die Entscheidung, Sachverständige zu werden, gar kein geplanter Schritt war, sondern sich aus ganz verschiedenen Ereignissen ergeben hätte. So hatten Erwartungen einen entscheidenden Einfluss auf ihren Weg, dass sowohl von außen wie auch von ihr an sich selbst der Wunsch stand, nicht enttäuschen und sich beweisen zu wollen, dass auch als Quereinsteigerin gute Arbeit geleistet werden kann.
Eine Kollegin berichtet, dass sie bereits als Kind im SV-Büro ihres Vaters mit kleineren Aufgaben betraut wurde und später auch an Ortsterminen teilnehmen durfte. Somit erlebte sie einerseits interessante Fragestellungen, andererseits aber auch die unterschiedlichen Emotionen bei solchen Terminen. Verbunden mit dem Wunsch, »etwas mit Menschen zu tun zu haben« und ihren Erlebnissen und Erfahrungen, lag hier die Entscheidung nahe, diesen Weg einzuschlagen.
Eine andere Kollegin berichtet, dass sie nach Abschluss des Architekturstudiums und nach ersten Erfahrungen auf Baustellen Seminare zur Fort- und Weiterbildung besucht habe, um das im Studium erlangte theoretische Wissen zu erweitern und möglichst praxisnah zu stärken. In diesem Zusammenhang wurden die ersten Seminare aus dem Bereich des Sachverständigenwesens besucht. Der Weg in die Sachverständigentätigkeit erfolgte dabei fast automatisch mit dem Ziel, Probleme auf den Baustellen neutral zu lösen, im besten Falle fachlich fundiert dazu beizutragen, dass Mängel und Schäden möglichst gar nicht erst entstehen. Der Weg zur öffentlichen Bestellung wurde damit sehr schnell klar.
[1] https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesellschaft-leben/die-neue-rechtsordnung-79969 [Zugriff 14.07.2024]
Den ganzen Beitrag können Sie in der Oktober-Ausgabe von »Bausachverständige« lesen.
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