Klaus Helzel, Fabian Kempe


Fliesenüberzähne – wie hoch ist zu hoch?


Wer belastbare Grundlagen zur Beurteilung von Höhendifferenzen bei Fliesenflächen (Überzähne) sucht, findet viele Regelwerke, die allgemeine Angaben zu Toleranzen oder den zugehörigen Arbeiten machen. Konkrete Angaben lassen sich in der für Toleranzen »zuständigen« DIN 18202 [1] erwarten – dort fehlen sie aber. Betrachtet werden daher im Folgenden die DIN 18333:2019-09 [2], die Fachveröffentlichung »Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden« (Oswald und Abel) [3], das Merkblatt »Hinweise zur Beurteilung von Überzähnen bei Fliesen- und Plattenbelägen« (euroFEN) [4] sowie das Merkblatt »Höhendifferenzen in Keramischen-, Betonwerkstein- und Naturwerksteinbekleidungen und Belägen« (ZDB-Merkblatt) [5].


Material – strang- oder trockengepresst?

Welche Abweichungen bei Fliesen zulässig sind, hängt auch vom Material ab, das einen erkennbaren Anteil an der Gesamtabweichung der zu betrachtenden Leistung hat. Darauf verweist auch die DIN EN 14411:2016 [6]. Darin sind Klassifizierungen, Eigenschaften und Überprüfungen der Leistungsbeständigkeit und Kennzeichnung zu finden.

Unterschieden wird zwischen stranggepressten und trockengepressten Fliesen. Während bei Ersteren eine durchschnittliche Dickenabweichung (Materialstärke) jeder Fliese von ± 10% zulässig ist, sind es bei Letzteren ± 0,5 mm. Je nach Nennmaß der Fliesen sind zudem Mittelpunktüberwölbungen – bezogen auf die Diagonale – von ± 2 mm zulässig (Nennmaß Fliese ≥ 15 cm, also übliche Fliesengröße).


Beurteilungsgrundlagen im Vergleich

Nach DIN 18333, Abschnitt 3.1.3, sind für Innenräume bei Platten bis 0,25 m2 Größe (Beispiel Fliese 50 cm x 50 cm) zwischen benachbarten Platten Absätze und Höhensprünge bis 1,5 mm zulässig. Bei Platten größer als 0,25 m2 sind bis zu 2 mm zulässig. Über 0,5 m2 Plattengröße sind für Innenräume zulässige Höhensprünge gesondert zu vereinbaren.

Das heißt: Höhensprünge werden abhängig zur verlegten Fliesengröße betrachtet. Oswald und Abel nennen 1 mm als Grenzwert und verweisen zugleich darauf, dass dieser aufgrund der Maßtoleranzen bei Fliesen ± 1 mm je nach Fliesenart deutlich überschritten werden kann.

EuroFEN unterscheidet bei der Bewertung zwischen einem Exklusivbereich (der gesondert zu vereinbaren wäre), dem Normalbereich (übliche Ausführung) und einem untergeordneten Bereich (Nebenräume). Für eine Vergleichbarkeit mit den anderen Kennwerten bleibt hier der »Normalbereich« im Fokus. Die Festlegung von zulässigen Toleranzen bezieht sich dort jeweils auf die längere Kante einer verlegten Platte.

Im Normalbereich ergibt sich dabei für alle Kantenlängen von 50 bis größer als 100 cm ein einheitlich großer Maximalwert von 1,3 mm. Bei Fugenbreiten zwischen den Platten über 5 mm Größe sind je Millimeter 0,2 mm mehr im Grenzmaß zu berücksichtigen. Stofftoleranzen sind gemäß Angabe in diesen Werten bereits berücksichtigt.

Die zulässige Toleranz hängt also vom verlegten Bereich, der Kantenlänge und gegebenenfalls der Fugengröße ab und ist auf 10% der gesamten zu betrachtenden Fläche begrenzt.

Das ZDB-Merkblatt unterscheidet zunächst zwischen handwerklicher und stofflicher Toleranz und kombiniert diese dann für eine abschließende Beurteilung. Betrachtet werden dabei Fliesenfugenbreiten von 2 bis 8 mm. Als Verlegetoleranz wird, unabhängig vom Material, 1 mm angenommen. Bei der stofflichen Toleranz wird als Regelfall eine mögliche Rückstellprobe herangezogen und die dabei festgestellte Abweichung zur handwerklichen Toleranz addiert.

Sofern keine Rückstellprobe vorhanden ist, wird eine Berechnungsformel für die stoffliche Toleranz abhängig von der Art der Fliesenkante (Presskante oder kalibrierte Kante) und der Fliesengröße (Länge und Breite) angegeben. Zulässig für kalibrierte Kanten ist ein maximaler stofflicher Wert (Fliesengrößen 50/50 bzw. 30/60) von 0,5 mm, bei Presskanten bis 1,0 mm. Daraus folgen Werte von 1,5 bzw. 2,0 mm.

Es werden also die handwerkliche und die stoffliche Toleranz berücksichtigt, die stoffliche Toleranz zudem in Abhängigkeit von Fliesenkante und Fliesengröße ermittelt, dabei jedoch ein Maximalwert als Obergrenze der stofflichen Toleranz festgelegt.

Die Tabelle zeigt: Je nach Beurteilungsgrundlage und Fliesengröße variiert ein »zulässiger« Fliesenüberzahn um bis zu knapp 1 mm.

Da sich hier Experten widersprechen, kann keine der aufgezeigten Beurteilungsgrundlagen als anerkannte Regel der Technik betrachtet werden, für die Konsens in der Fachwelt die Voraussetzung ist.


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