BauSV 5/2024


Baurecht


Andreas Koenen


DIN-Normen als Schlüssel zum Verständnis

der Diskussion um den Gebäudetyp E und die anerkannten Regeln der Technik


Der Beitrag erläutert die aktuelle Diskussion um den Gebäudetyp E und die anerkannten Regeln der Technik im Kontext mit DIN-Normen.


Die aktuelle Diskussion um den Gebäudetyp E und die anerkannten Regeln der Technik, deren Bedeutung – jedenfalls im Verhältnis »fachkundiger Unternehmen« – durch das von der Bundesregierung geplante Gesetz eingeschränkt werden soll, ist ohne Kenntnis der Bedeutung des DIN Instituts für Normung e.V. und der Entstehung von DIN-Normen nicht verständlich.

Denn es sind nicht die »allgemein anerkannten« Regeln der Technik, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers überwunden werden sollen, sondern die von einem eingetragenen Verein herausgegebenen ausufernden »Normen« bzw. technischen Regelwerke, die nach der Rechtsprechung die Vermutung in sich tragen, die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiederzugeben, und damit letztlich Stein des Anstoßes sind.

Bemerkenswert ist dabei, dass sich dieser staatlich finanzierte Verein – wie schon seit mehr als 100 Jahren – im Hintergrund hält und sich kaum jemand traut, das von vielen Seiten beklagte Übel der Baukostensteigerung an der strukturellen Wurzel zu packen.

Auch in dem jüngst in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beitrag des Kollegen Steffen spricht dieser zwar einerseits von der »DIN-Hörigkeit« des Bundesgerichtshofes (BGH), die letztlich dazu führe, dass aus Angst vor der Rechtsprechung, die einem Bauherrn schon bei der geringsten Verletzung von DIN-Normen Mängelrechte bei »voll funktionsfähigen Bauwerken« zuspricht, nach Normen gebaut werde, die niemand brauche und die teuer und ökologisch problematisch seien. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik hätten aber ihre Berechtigung, so Steffens Fazit, und bedürften nur »einer verbindlichen gesetzlichen Festlegung, worum es bei den anerkannten Regeln der Technik eigentlich geht«.

Dabei legt Steffen durchaus den Finger in die Wunde, wenn er feststellt, es genüge nicht, »dass eine Mehrheit der fachlich Beteiligten eine bestimmte technische Konstruktion für richtig hält, die es aber unter Umständen gar nicht ist«. Und eine technische Regel könne »nur dann anerkannte Regel der Technik sein, wenn nach wissenschaftlichen Kriterien nachgewiesen ist, dass sie dauerhaft funktioniert«.

Und genau das erfordere Transparenz, und zwar schon bei der »Normung«. Nur wenn das entsprechende Regelwerk transparent offenlegt, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage es beruht und ob im jeweiligen Gremium Einigkeit über die Ausgestaltung bestand, kann die – für DIN-Normen bzw. Normgeber wirtschaftlich höchst lukrative – Vermutung des BGH greifen, dass DIN-Normen die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben.

Bevor auf die aktuelle Diskussion um das Gebäudetyp E bzw. die Baurechtsreform (2.) und die damit einhergehende, rechtsstaatlich nicht mehr vertretbare Bedeutungszunahme technischer Regelwerke (z.B. DIN-Normen) (3.) näher eingegangen wird, soll im Folgenden einleitend das Verhältnis von DIN-Normen und allgemein anerkannten Regeln der Technik thematisiert werden, deren Bedeutung durch die Gesetzesinitiative der Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis eingeschränkt werden soll (1.).

1. Die Rechtsqualität von DIN-Normen und ihr Verhältnis zu den »allgemein anerkannten Regeln der Technik«

  1. a) Über das Verhältnis der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) zu technischen Regelwerken wie den sog. »DIN-Normen« ist in jüngster Zeit viel diskutiert und geschrieben worden. Dabei standen bisher Detailfragen wie der Zeitpunkt der Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik [1] oder die Folgen einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme [2] im Vordergrund.
    Der Deutsche Baugerichtstag [3] hat sich jedoch im vergangenen Jahr mit dem Thema »Die rechtliche Verbindlichkeit von Normen für die Vertragspartner eines Bauvorhabens« befasst und damit eine Diskussion über das Verhältnis der a.a.R.d.T. zu den – von privaten Organisationen herausgegebenen – technischen Regelwerken, zu denen in erster Linie die vom DIN herausgegebenen Normen gehören [4], angestoßen. Zu den dort beschlossenen Thesen der beiden Arbeitskreise »Normung« und »Sachverständigenrecht« gehörte, dass Herausgeber technischer Empfehlungen gehalten sein sollten, den Erarbeitungsprozess nach einheitlichen Standards zu dokumentieren. Diese Dokumentation sollte Dritten zugänglich gemacht werden, damit die Einhaltung der Regelungen für die Ausarbeitung von technischen Regeln, z.B. die DIN 820, auch von Außenstehenden nachvollzogen werden könne.


[1]  Nach der zutreffenden Auffassung des BGH kann es nur der Zeitpunkt der Abnahme sein; vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65/14, NJW 2018, 391; BGH, Urteil vom 14.05.1998 – VII ZR 184-97, NJW 1998, 2814. Vgl. Auch Steffen, a.a.O.

[2] vgl. auch insoweit BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65/14, a.a.O.

[3] Hier waren es die Arbeitskreise V (Normung) und VI (Sachverständigenrecht), die beim 9. DBGT (12./13.05.2023) gemeinsam getagt und entsprechende Empfehlungen ausgesprochen haben. Einzelheiten: https://baugerichtstag.de/wp-content/uploads/2023/05/Empfehlungen_9.pdf; abgerufen am 20.08.2024.

[4] Ebenfalls von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die technischen Regelwerke des im Jahre 1856 gegründeten VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. sowie des im Jahre 1893 gegründeten Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., auf die allerdings hier nicht eingegangen werden soll, weil sie in der aktuellen Diskussion um den Gebäudetyp E (noch) eine eher untergeordnete Rolle spielen.


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