
Die letzten sprunghaften Preiserhöhungen haben auch der eher lokal verorteten Baubranche ihre Abhängigkeit von internationalen Märkten schonungslos aufgezeigt. Dass nachwachsende Rohstoffe für die Verwirklichung der dringend notwendigen Klimaziele eine bedeutende Rolle spielen, ist mittlerweile ebenfalls in der Branche angekommen. Ein jährlich nachwachsender, regional verfügbarer Rohstoff ist Stroh.
Stroh ist ein Nebenprodukt beim Getreideanbau. Seine Nutzung führt zu keiner Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmittelpflanzen, wie dies teilweise bei der Nutzung von Biogasanlagen der Fall ist. Das Bauen mit Stroh hat drei erhebliche Klimavorteile: CO2-Speicherung beim Wachstum, minimale CO2-Emissionen bei der Herstellung von Strohballen und durch die gute Dämmwirkung eine Vermeidung von CO2-Emissionen im Gebäudebetrieb.
Stroh ist ein bauaufsichtlich anerkannter Dämmstoff. Er wird sowohl als Baustrohballen als auch als Einblasdämmung angeboten.
Im Strohballenbau gibt es feuerhemmende und feuerbeständige Konstruktionen (F30 bzw. F90), und auch lasttragende Strohbauten sind realisiert. Der Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V. (FASBA) hat die anfänglich einzelnen experimentellen Erfahrungen des Bauens mit Stroh gebündelt, in zwei geförderten Projekten eine bauaufsichtliche Anerkennung für Strohballenbau erreicht und beides in der Strohbaurichtlinie fachlich dokumentiert.
Die ersten Häuser aus Strohballen entstanden vor über 100 Jahren in Nebraska (USA). In einer Gegend, in der das Farmland weitläufig, das Holz aber knapp war, fingen die Siedler an, die gepressten Ballen zu Mauern zu stapeln und zu verputzen. Erst nutzten sie diese für einfache Unterstände und Schuppen, später auch für Wohnhäuser, Kirchen und Gemeindezentren. Diese außen und innen verputzten Gebäude halten so gut, dass viele bis heute stehen. Werden Umbauten vorgenommen, kann man erkennen, dass das verwendete Stroh noch in tadellosem Zustand ist.
Bauen mit Stroh ist aber nicht nur eine alte Tradition, die auf den ländlichen Raum konzentriert ist. In Europa wird in den letzten vierzig Jahren auch wieder verstärkt mit Stroh gebaut. Einen regelrechten Bauboom gab es in England und Frankreich. Das älteste Strohballenhaus Europas, die Maison Feuillette, steht in Montargis (Frankreich) und feiert mittlerweile sein 100-jähriges Bestehen. Aktuell wird die Zahl der Strohballengebäude in Frankreich auf über 3.000 geschätzt. Darunter befinden sich auch ein 8-geschossiges Mehrfamilienhaus, Kindergärten, Schulen und öffentliche Gebäude.
Die ersten Strohballenhäuser hierzulande entstanden Ende der 1990er-Jahre. Der Architekt Matthias Böhnisch baute Häuser aus Stroh überwiegend im Siegerland und Westerwald. In Sieben Linden schufen Strohbaupioniere um den Architekten Dirk Scharmer nach und nach eine ganze Siedlung von Strohballenbauten, bei denen unterschiedliche Aufbauten und Verfahren erprobt wurden. Dort entstand auch das erste 3-geschossige strohgedämmte Wohnhaus in Deutschland.
Auf der Grundlage dieser Erfahrungen – und um zu zeigen, was im Strohbau möglich ist – wurde für das Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen (NZNB) in Verden ein 5-geschossiges Gebäude als Holzständerwerk mit Strohdämmung verwirklicht. Entstanden sind 1.800 m2 Büro- und Ausstellungsfläche, geplant und entworfen von den Architekten Dirk Scharmer und Thomas Isselhard.
Kaum ein anderer Baustoff ist so einfach verfügbar wie Stroh. Es handelt sich, wie anfänglich erwähnt, bei Stroh um einen regional verfügbaren Baustoff, der jährlich nachwächst. Oftmals nur ein Randthema im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe ist deren Flächenkonkurrenz. Bekannt ist diese zu Monokulturen führende Nebenwirkung von Biokraftstoff und Biogasanlagen.
Laut der Schriftenreihe »Energetische Biomassennutzung« (Band 2) des Deutschen Biomasseforschungszentrums DBFZ werden ca. 20% des anfallenden Strohs in der Landwirtschaft nicht benötigt. Das reicht aus, um jährlich etwa 350.000 Einfamilienhäuser mit Stroh zu dämmen.
Der Baustoff Strohballen kann bereits auf dem Feld hergestellt werden. Geeignet sind Kleinballen, die möglichst quaderförmig und stramm sein sollten. Dabei kann sowohl konventionell angebautes Stroh als auch Stroh von Biohöfen eingesetzt werden. Schon beim Abtransport vom Feld ist dann aus Stroh ein Baustoff geworden – eine denkbar einfache Herstellung. Baustrohballen lassen sich mit ein wenig Übung einfach in die Gefache eines Holzständerwerks pressen.
Die Planung erfordert ein stärkeres »Hineindenken« in den Baustoff, da sich die auszudämmenden Felder an den Abmessungen der Strohballen orientieren sollten. Der im Holzständerbau übliche Ständerabstand wird durch die Ballenbreite deutlich breiter und senkt somit auch den Holzanteil in der Wand. Wie im Holzbau allgemein sind dabei unterschiedlichste Vorfertigungsgrade möglich, von der unbeplankten Holzständerwand bis hin zur vorgefertigten, komplett vorinstallierten, gedämmten und verputzten Wand (Abb. 2 bis 4).
Den ganzen Beitrag können Sie in der Dezember-Ausgabe von »Der Bausachverständige« lesen.
Informationen zur Einzelheft- und Abo-Bestellung
Diesen Beitrag finden Sie auch zum Download im Heftarchiv.