BauSV 4/2024


Regelwerke

Abb. 11: Einsatz von staubarmem Asbest-Sanierungsverfahren an Außenputz

Simon Schneebeli


Asbest: Was die Schweiz anders macht als Deutschland


In Deutschland ist seit Längerem eine Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung in Diskussion. Ein besonders umstrittener Punkt ist die Frage, wer Gebäude vor einem Bauvorhaben auf Schadstoffe zu untersuchen hat? Die Schweiz hat diese Frage vor acht Jahren geklärt. Kann die deutsche Politik etwas aus der Schweizer Erfahrung lernen?


Zurzeit wird in Deutschland eine neue Fassung der Gefahrstoffverordnung diskutiert. Diese Verordnung könnte einige wichtige Neuerungen bezüglich Asbest mit sich bringen. Zur Diskussion steht vor allem die Frage, wer ermitteln muss, ob Asbest vorhanden ist. Frühere Entwürfe sahen eine eigentliche Erkundungspflicht für den Veranlasser von Bauarbeiten vor: Gebäude, die vor dem Asbestverbot im Jahr 1993 gebaut wurden, wären generell unter Asbestverdacht gestellt worden. Einzig mit einem Gutachten hätte man nachweisen können, dass ein Gebäude tatsächlich asbestfrei ist.

Im neuesten Entwurf dieser Gefahrstoffverordnung ist die Erkundungspflicht für den Veranlasser von Bauarbeiten weitgehend gestrichen worden. Er ist einzig noch dazu verpflichtet, die ausführenden Firmen über das Baujahr zu informieren. Was aber bleibt, ist die Erkundungspflicht des Auftragnehmers, also der Firma, die die Um- oder Rückbauarbeiten ausführt.

Parallel zur neuen Gefahrstoffverordnung wird in Deutschland eine Neuregelung bezüglich der Entsorgung von Bauabfällen diskutiert, die Vollzugshilfe der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall 23 (LAGA 23). Diese sieht vor, dass Bauabfälle ohne den Nachweis der Asbestfreiheit als asbesthaltig einzustufen und entsprechend zu entsorgen sind.

Die Schweiz kennt ähnliche Vorschriften schon seit Jahren. Somit können einige Vergleiche angestellt werden.


Die Situation in der Schweiz

In der Schweiz wurde Asbest im Jahr 1990 verboten, mit einer Übergangsfrist für gewisse Produkte bis 1995, etwa für Asbestzement-Druckrohre oder gewisse Dichtungen. In Deutschland kam das Asbestverbot erst 1993. Auch in der Schweiz dachte man, dass das Problem mit den krebserregenden Fasern durch das Verbot gelöst sei.

In den darauffolgenden Jahren wuchs aber das Bewusstsein, dass die in der Gebäudesubstanz verbauten asbesthaltigen Materialien beim Um- oder Rückbau von Gebäuden für die Arbeitnehmenden weiterhin eine erhebliche gesundheitliche Gefahr darstellen. Am 01.01.2009 wurde in der Bauarbeitenverordnung BauAV gesetzlich festgelegt, dass der Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmenden vor Um- oder Rückbauarbeiten abklären muss, ob gefährliche Stoffe wie Asbest oder PCB vorhanden sind.

Die Erkundungspflicht (in der Schweiz spricht man von der »Ermittlungspflicht«) für den Auftraggeber, das heißt, den Veranlasser von Bauarbeiten, kam im Jahr 2016 mit der Überarbeitung des Abfallgesetzes. Dieses hielt neu fest, dass der Bauherr vor Baubeginn ein Entsorgungskonzept erstellen muss. Um dieses zu erstellen, muss er für Gebäude, die 1990 erbaut wurden, abklären lassen, ob Bauschadstoffe vorhanden sind. Diese Vorschrift gilt für bewilligungspflichtige Bauvorhaben. Für nicht bewilligungspflichtige Bauvorhaben bleibt ausschließlich der Arbeitgeber, das heißt der Auftragnehmer, in der Pflicht.


Wie gut wird das Gesetz in der Schweiz umgesetzt?

Damit Gesetze umgesetzt werden, braucht es eine Vollzugsbehörde, die auch Kontrollen durchführt. Für bewilligungspflichtige Bauvorhaben kann man in der Schweiz heute sagen, dass dies funktioniert. Schweizweit wird vor der Erteilung einer Baubewilligung kontrolliert, ob ein Bauschadstoffgutachten vorliegt.

Diskutiert wird noch über die Qualität der Gutachten, weshalb einzelne Kantone oder Kommunen dazu übergegangen sind, die Gutachten punktuell oder sogar systematisch zu kontrollieren. Auch die in der Schweiz für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz zuständige Behörde Suva führt Kontrollen durch.

Noch nicht durchgesetzt hat sich die systematische Schadstoffermittlung bei nicht bewilligungspflichtigen Bauvorhaben. Dazu gehört etwa der Umbau von einzelnen Badezimmern und Küchen. Gemäß einer Untersuchung der Suva wird nur in etwa 20% der Fälle abgeklärt, ob Schadstoffe vorhanden sind. Und dies, obwohl die Hürde niedrig ist: Ein formelles Schadstoffgutachten wird nicht verlangt. Die ausführende Firma erfüllt ihre Pflicht zum Arbeitnehmerschutz, wenn sie die von den Bauarbeiten betroffenen schadstoffverdächtigen Materialien selbst beprobt und in einem dafür spezialisierten und gelisteten Labor untersuchen lässt.


Auswirkungen auf den Markt

Die Anforderungen in Bezug auf die Schadstoffe haben dazu geführt, dass der Markt rasch gewachsen ist. In der Schweiz gibt es rund 500 Fachpersonen, die Bauschadstoffgutachten ausführen. Viele davon tun dies hauptberuflich. Dazu kommen etwa 30 Labore, die mehrheitlich oder ausschließlich Asbestanalysen ausführen, sowie über 300 behördlich anerkannte Firmen, die Asbest entfernen.

In Deutschland fehlen offizielle Zahlen, da es kein zentrales Register gibt. Erfahrene Fachleute, die den Markt gut kennen, schätzen, dass es in Deutschland nur etwa doppelt so viele Spezialfirmen gibt, wie in der Schweiz – und dies, obwohl Deutschland fast zehnmal größer ist als die Schweiz!

Da der Markt in der Schweiz langsam gesättigt ist, wächst auch der Preisdruck. Dieser Druck führt zu einer Reduktion der Preise, was sich insbesondere bei den Laboranalysen zeigt: Obwohl die Schweiz eigentlich eine Hochpreisinsel ist, kosten Asbestsanalysen in der Schweiz nur rund die Hälfte dessen, was man in Deutschland bezahlt. Solche niedrigen Preise sind einerseits wegen der großen Anzahl von Analysen möglich, reflektieren andererseits aber auch die großen Investitionen, die Labore tätigen, um die Arbeitsprozesse zu optimieren, bis hin zu einer Teilautomatisierung der Analysen.

Auch im Bereich der Schadstoffentfernung beklagen sich die ausführenden Firmen über einen recht hohen Preisdruck. Hier dürften die Preise aber höher bleiben als in Deutschland, denn die dort gut etablierten staubarmen Verfahren (sog. BT-Verfahren), z.B. zum Entfernen von Putzen oder Bodenbelägen, sind in der Schweiz nicht zugelassen. Solche Arbeiten müssen also – außer unter spezifischen Bedingungen – durch eine von der Suva anerkannte Firma in einer Unterdruckzone ausgeführt werden.


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