BauSV 6/2023


Regelwerke


Klaus Arbeiter


Allgemein anerkannte Regeln der Technik und Regelwerke

Dürfen a.a.R.d.T. mit Regelwerken gleichgesetzt werden? Ja, natürlich – sie müssen nur richtig bewertet werden


A.a.R.d.T. sind ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Entstehung bis in die Zeit der zitierten Reichsgerichtsurteile zurückreicht
so weit, so gut. Dieser Begriff wird von Sachverständigen in Gutachten regelmäßig mit Regelwerken gefüllt, um ein theoretisches Leistungssoll zu definieren, welches dazu verwendet wird, um Abweichungen von diesem Soll-Zustand zu beanstanden. Der folgende Beitrag soll einen alternativen Standpunkt zum Artikel von Herrn Zöller [1] aufzeigen, der eine Gleichsetzung von DIN-Normen (oder anderen Regelwerken) zur Bestimmung von a.a.R.d.T. ablehnt.

Der Artikel von Herrn Zöller verfolgt sicherlich die Intention, dass Sachverständige derartige Regelwerke nicht »blind« in ihre Gutachten übernehmen, sondern sich tiefgründiger mit diesen auseinandersetzen sollen, um eine fehlerhafte Gleichsetzung von Regelwerken mit a.a.R.d.T. zu vermeiden. Dem ist unbedingt zuzustimmen. Es stellt sich nur die Frage, wo der Fehler liegt – in der Regel selbst oder aber in deren Verwendung.


Dieser Beitrag ist daher subjektiver Natur. Er beinhaltet die eigenen Erfahrungen aus rund 15 Jahren Normungsarbeit sowie der Einbindung als handwerklicher Sachverständiger in die Verbandsarbeit des Bundesverbands Ausbau und Fassade. Das bitte ich an jeder Stelle des Beitrags zu berücksichtigen. Es ist möglich, dass andere Personen in anderen Normenausschüssen andere Erfahrungen machen.

Mein Blickfeld umfasst mein Vereidigungsgebiet, das Stuckateur-Handwerk und die Normenausschüsse 005-09/10, Gips und Gipsprodukte, 005-09/80, Abgehängte Decken, 005-09/60 Leichte Trennwände, ATV DIN 18340 – Trockenbauarbeiten sowie den Arbeitsausschuss STLB-Bau Trockenbau, dessen Obmann ich bin.

Allein der erstgenannte Ausschuss ist für insgesamt rund 30 Normen zuständig, die im Bereich Trockenbau von Wichtigkeit sind. Hierbei handelt es sich zum einen um Produkt-, aber auch um Anwendungs- oder Systemnormen für geregelte Bauarten. Besonders in der Funktion als Obmann des STLB-Bau Trockenbau besteht ein sehr großes Interesse daran, dass technische Regelwerke eindeutig mit a.a.R.d.T. identifizierbar sind, da produktneutrale Ausschreibungen grundsätzlich Produkt- und zum Teil auch Ausführungsnormen benötigen. Ohne eine solche Eindeutigkeit wären die STLB unmöglich.


Technische Aspekte von a.a.R.d.T.

A.a.R.d.T. sind zwar ein Rechtsbegriff, beinhalten jedoch auch einen technischen Aspekt. Ohne die Angabe eines technischen Sachverständigen, ob eine bestimmte Norm als a.a.R.d.T. bewertet werden kann, ist es Juristen nicht möglich, ihre Arbeit zu verrichten. Das war auch vor über 100 Jahren in dem zitierten Fall vor dem damaligen Reichsgericht so. Daher ist es Sache von technischen Sachverständigen, die Frage zu beantworten, ob eine bestimmte Regel oder Norm zu diesen a.a.R.d.T. zählt oder eben nicht. Dies ist eine rein technische Festlegung.

Es ist nun einmal nicht zu ändern, dass der Begriff a.a.R.d.T. juristischer Natur ist. Er hat aber auch eine »technische Seite«, die sich durch die drei bekannten Parameter (wissenschaftlich erwiesene Richtigkeit, Bekanntheit in den einschlägigen Fachkreisen und Bewährung in der Praxis) bestimmt. Und diese Bestimmung ist Aufgabe von technischen Sachverständigen. Dabei ist es von essenzieller Bedeutung, dass der technische Sachverständige bei seiner Arbeit ausführlich darstellt, ob eine bestimmte Regel oder Norm tatsächlich als Mindeststandard in der Praxis »gehandelt« wird, oder aber z.B. in Fachkreisen durchaus kontrovers diskutiert wird.

DIN-Normen stellen bekanntlich private Rechtsnormen dar, die den – widerlegbaren – Anschein dafür liefern, a.a.R.d.T. darzustellen. Genau diesen Vorbehalt müssen technische Sachverständige aufarbeiten und kenntlich machen, um so den technischen Maßstab eines bautechnischen Sachverhalts erschöpfend zu erläutern. Dies stellt nach eigener Erfahrung die notwendige Zuarbeit in Richtung der Juristen dar, damit diese ihre Arbeit juristisch einwandfrei fortführen können.

Ein Jurist, der nicht in dieser Art und Weise technisch »aufgeklärt« wird, kann letztendlich den Begriff der a.a.R.d.T. juristisch nicht abschließend bewerten. Hierfür ist es unbedingt erforderlich, dass sich Sachverständige stets »auf der Höhe der Zeit« bewegen, also Normen und Regelwerke nicht nur kennen, sondern auch die Fachdiskussionen wahrnehmen, die über einzelne Normen oder Regelwerke aktuell geführt werden und dadurch in der Lage sind, in bestimmten Fällen eine differenzierte Bewertung von Regelwerken vornehmen zu können.

Die Frage, welche Regelwerke oder Normen zur technischen Bewertung eines technischen Sachverhaltes im Sinne eines Mindeststandards ausreichen, um die anstehenden juristischen Fragen zu klären, ist hiermit noch nicht ausreichend beantwortet. Es wird nämlich in jedem Fall auch noch festzulegen sein, welchen technischen Maßstab die handelnden Parteien denn vertraglich vereinbart haben.

Dieser vertraglich vereinbarte technische Standard kann den vom technischen Sachverständigen erläuterten a.a.R.d.T. entsprechen, er kann aber hiervon auch nach unten oder oben abweichen. Die Bestimmung des vertraglich vereinbarten Sollzustands ist daher – natürlich – eine rein juristische Frage. Nur aus der Kombination einer fachlich und wissenschaftlich richtigen Bestimmung des technischen Inhalts von a.a.R.d.T. und der erforderlichen juristischen Arbeit kann sichergestellt werden, dass bautechnische Sachverhalte »richtig« bewertet werden.


[1] Zöller, Matthias: Ein konstruktiv-kritischer Blick auf DIN 18533 Teil 1.
In: Der Bausachverständige, Heft 4, 2023, S. 9–14

 
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