• 08.05.2023

Rechtsprechungstipp: Sachverständigenauftrag

Pflicht des Bausachverständigen zur Untersuchung eines älteren Hauses auf versteckte Mängel?

Orientierungssätze:

  1. Ein Bausachverständiger, der mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens für ein älteres Gebäude beauftragt ist, ist ohne konkrete Veranlassung nicht verpflichtet, nach versteckten Mängeln zu suchen.
  2. Ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln ist er insbesondere zum Öffnen von Bauteilen nicht verpflichtet. Allein das Alter des Hauses und die Tatsache, dass auch nicht unerhebliche sichtbare Mängel vorlagen, kann hierzu keine Veranlassung geben.


Sachverhalt der Entscheidung

In der Sache klagte ein Immobilienkäufer auf Schadenersatz gegen den mit der Erstellung eines Wertgutachtens beauftragten Architekten mit der Begründung, der beklagte Architekt habe ein fehlerhaftes Gutachten erstattet.

Im Auftrag des Immobilienkäufers hatte der beklagte Architekt im Rahmen eines Gutachtens den Wert des Anwesens mit rund 275.000 DM beziffert. Daraufhin erwarb der Kläger das Grundstück zum Kaufpreis von 275.000 DM, wobei 10.000 DM auf mit verkaufte bewegliche Gegenstände entfielen. Nach Übergabe wurden verschiedene Mängel des 1936 errichteten Hauses festgestellt, die der Beklagte in seinem Gutachten nicht berücksichtigt hatte (Gästetoilette im 1. OG ohne Anschluss an Kanalisation, Dachbalken beim nachträglichen Einbau von Gauben abgesägt, rundherum am Haus aufsteigende Feuchtigkeit, Küchenfußboden vermodert, Kautschukisolierungen der Fenster aufgelöst). Der vom Käufer mit einer Grobschätzung des Verkehrswertes beauftragte Sachverständige schätzte den Wert des Anwesens auf 185.000 DM.

Im Prozess machte der Kläger geltend, der beklagte Architekt habe schuldhaft ein fehlerhaftes Gutachten erstattet. Er hätte die Mängel erkennen und in die Bewertung miteinbeziehen müssen. Jedenfalls sei es seine Aufgabe gewesen darauf hinzuweisen, dass er das Objekt nicht näher auf Mängel untersucht habe. dem Kläger sei wegen des Kaufs des überteuerten Objektes ein Schaden in Höhe von 93.571,92 DM entstanden.

Das Berufungsgericht wies die zulässige Berufung als unbegründet zurück. Es entschied, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Architekten wegen schuldhaft fehlerhafter Ermittlung des Verkehrswertes des Anwesens zusteht.


Aus den Gründen

1. Die Beweisaufnahme in erster Instanz hat nicht ergeben, dass der beklagte Architekt den Wert des Grundstücks schuldhaft falsch ermittelt hat.

Mit dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen ist davon auszugehen, dass der Verkehrswert des Grundstücks unter Beachtung der offensichtlich erkennbaren Baumängel 260.000 DM betragen hat. Dass demgegenüber der Privatgutachter der Kläger zu einem Wert von 185.000 DM gekommen ist, ist unerheblich. Dieser hat lediglich eine Grobschätzung des Verkehrswertes vorgenommen. Dem gerichtlichen Sachverständigen lag das Gutachten vor. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Gutachter insbesondere die Alterswertminderung zu hoch angesetzt hat. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Sachkunde des Sachverständigen, der sein Gutachten umfassend begründet und in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht verteidigt hat, zu zweifeln.

Der gerichtliche Sachverständige hat die Abweichung seiner Wertermittlung (260.000 DM) gegenüber dem echten Kaufpreis des Objekts (265.000 DM) von 2% als tolerierbar bezeichnet und eine fehlerhafte Wertermittlung des Beklagten verneint. Entsprechendes müsste selbst dann gelten, wenn man den vom Sachverständigen ermittelten Wert von 260.000 DM ohne die mit verkauften beweglichen Gegenstände mit dem vom Beklagten angegebenen Grundstückswert von 275.000 DM vergleicht. Selbst eine sich in diesem Fall errechnende Abweichung von 5,45% muss noch als tolerabel angesehen werden.

Der Wert eines Hauses lässt sich nicht völlig exakt bestimmen. Sowohl beim Grundstückswert als auch beim Wert des Hauses, bei der Feststellung des Bauzustandes und bei der Ermittlung der Renovierungskosten kommt dem Sachverständigen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Eine Abweichung im Endergebnis von gut 5% erscheint noch hinnehmbar. Zudem hat der Kläger nicht dargetan, dass der Beklagte in bestimmten Einzelpositionen seines Gutachtens erheblich von den richtigen Feststellungen und Werten abgewichen ist. Auch der Sachverständige ... hat solche groben Fehleinschätzungen nicht dokumentiert. Ein schuldhafter Fehler des Beklagten ist nicht nachgewiesen.


2. Dem beklagten Architekten ist nicht anzulasten, dass er verdeckte Mängel des Hauses (insbesondere fehlender Anschluss der Gästetoilette an die Kanalisation, abgesägte Balken des Dachstuhls, aufsteigende Feuchtigkeit in den Wänden und feuchter und verfaulter Fußboden in der Küche) nicht erkannt hat.

Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, dass die Mängel ohne Öffnung von Bauteilen nicht zu erkennen waren. Der Kläger hat keine besonderen Umstände dargetan, die den Beklagten hätten veranlassen müssen, nach versteckten Mängeln zu suchen. Ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Mängel war der Beklagte zum Öffnen von Bauteilen nicht verpflichtet. Allein das Alter des Hauses und die Tatsache, dass auch nicht unerhebliche sichtbare Mängel vorlagen, konnten hierzu keine Veranlassung geben. Zu berücksichtigen ist zudem, dass beim Öffnen von Bauteilen solche hätten zerstört werden müssen, was ohne Einwilligung der Eigentümer und Vereinbarung über die Kostentragung nicht möglich gewesen wäre.


3. Der Beklagte war nicht verpflichtet, die Kläger gesondert darauf hinzuweisen, dass er nach versteckten Mängeln nicht gesucht, dass er somit keine umfassende Überprüfung des Hauses vorgenommen hatte.

Hierzu bestand zum einen keine Veranlassung, da der Kläger nicht substantiiert vorgetragen hat, dass der Beklagte Veranlassung hatte, mit versteckten Mängeln von einigem Gewicht zu rechnen. Zum anderen war der Kläger zwar bei der Begutachtung des Hauses durch den Beklagten nicht persönlich anwesend, aber durch Angehörige vertreten. Er hatte daher indirekt Kenntnis vom Umfang der Begutachtung des Beklagten. Er konnte nicht damit rechnen, dass der Beklagte das Haus auch umfassend auf versteckte Mängel überprüft hatte. Ein Auftrag zur Erstellung eines Wertgutachtens umfasst eine solche Überprüfung grundsätzlich nicht.

OLG Bamberg, Urteil vom 08.08.2002, Az. 1 U 5/02


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