Am 25. und 26. April 2022 war es endlich wieder so weit. Im Aachener Eurogress sowie online kamen zahlreiche Teilnehmer zusammen, um die Diskussion um die Haftung von Regelwerken sowie Schäden nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 zu diskutieren. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen der letzten Jahre fand die Veranstaltung erstmals »hybrid«, d.h. zugleich als webbasierte Tagung, statt.
Neben den gewohnten beiden Vortragstagen gab es dabei auch ein Novum: An den drei Tagen nach der Tagung gab es jeweils zwischen 16:00 und 21:00 Uhr webbasierte, moderierte Diskussionsforen mit den Referenten und Foren mit Ausstellern zu Diskussion und Erfahrungsaustausch. Bis Ende Juni 2022 besteht außerdem die Gelegenheit, in der Mediathek die Tagungsmitschnitte sowie die Messeseite der Aussteller zu studieren.
Traditionell startete die Tagung mit einer Begrüßung durch Prof. Matthias Zöller sowie dem Tätigkeitsbericht des AIBau. Danach folgte der erste Fachvortrag, bei dem unser Beirat Dr. iur. Mark Seibel, Vizepräsident des LG, Siegen/Wenden, zum Thema »Dispositionsfreiheit nach § 634 BGB contra Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Schonung von Ressourcen, der Umwelt und Minderung von CO2?« referierte.
Danach widmete sich Architektin Annabelle von Reutern aus Stuttgart den technischen und rechtlichen Aspekten der Weiterverwendung von aus dem Bestand gewonnenen Bauprodukten. Das Startup Concular UG ist ein Pionier im Bereich der Wiederverwendung von Baumaterialien und engagiert sich beim zirkulären Bauen. Jedes Material, das wiederverwendet wird, muss nicht produziert werden und spart somit Ressourcen und Treibhausgasemissionen ein.
Nach der Kaffeepause und einem Fallbeispiel des AIBau ging es weiter mit Fragen der Abdichtung und des Monitorings in Feuchträumen im Holzbau, erörtert von Dipl.-Ing. Dr. techn. Martin Teibinger, Wien. Holzbau muss anders gedacht werden. Beim Holzbau geht es um die Vermeidung einer langanhaltenden Durchfeuchtung der Konstruktion. Der Vortrag stellte baupraktische Möglichkeiten zur Abdichtung von Feuchträumen und zum Monitoring vor: »Wenn Sie es machen, dann machen Sie‘s gscheit …«
Bei der folgenden ersten Podiumsdiskussion waren dann so viele Fragen der Teilnehmer online eingegangen, dass die Zeit kaum ausreichte, um alle zu beantworten. Eine Reihe von Fragen wird daher auch im Tagungsband beantwortet.
Nach der Mittagspause referierten Prof. Dr.-Ing. habil. Bert Bosseler zu den Konsequenzen von Stark- und Katastrophenregen aus wasserwirtschaftlicher Sicht. In diesem Kontext widmete sich Dr. rer. nat. Thomas Warscheid dem Umgang mit bzw. der Vermeidung von Schimmel & Co. nach Überflutungen, die etwas ganz anderes sind als Wasserschäden. Im Rahmen der Schadenerfassung seien zunächst die baukonstruktiven (Gebäudesituation, Baukonstruktion und Baustoffe) wie bauphysikalischen Umfeldbedingungen (Rissbildungen, Fassadenschäden und Standsicherheit) wie auch die statischen Gegebenheiten des jeweiligen Objekts zu klären. Die Schimmelpilzbelastung komme erst später im Zusammenhang mit der Abtrocknung hinzu.
Der nächste Vortrag betraf eine gängige Problemlage nach Überflutungen: Architekt Dipl.-Ing. Stephan Repges aus Bonn sprach zum Thema »Kontaminiertes Flutwasser in Bauteilen: weiternutzen statt austauschen?«, thematisch beschränkt auf drei Arten von Kontamination: Fäkalien, Schimmel und Heizöl. Man müsse nicht gleich alles abreißen. An erster Stelle stünden Dokumentation, Analyse und dann erst der Sanierungsplan.
Weiter ging es mit der Frage, wie aus Gebäuden gegen Flutwasser widerstandsfähige Konstruktionen werden können, erörtert von Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Bernhard Fischer BBSR a.D., Velbert. Der letzte Vortrag des Tages kam von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Krajewski und behandelte das wichtige Thema »Gründungsschutz gegen Unterspülung im Baugrund«: Durch die entsprechende Materialwahl könne Gründungsschutz gewährleistet werden.
Das Fazit der folgenden Podiumsdiskussion war deutlich: Wir sollten nicht unbedacht Dinge wegwerfen, die wir baulich noch nutzen können. In Zukunft müssen wir nachhaltiger bauen. Es war ein überaus spannender erster Tag mit vielen Erkenntnissen und guten Gesprächen, die endlich auch wieder persönlich stattfinden durften. Dem fachlichen Teil folgte das zwanglose Get-together im Foyer des Eurogress bei Bier, Wein, Häppchen und guten Gesprächen.
An Tag 2 ging es bei »Pro + Contra – das aktuelle Thema« um die Haftung für Regelwerke. In einem Dialogvortrag zur Problemstellung und Vermutungsregel der a.R.d.T. erläuterten Prof. Matthias Zöller und unser Beirat Dr. iur. Mark Seibel diese überaus praxisrelevante Thematik aus technischer und rechtlicher Sicht: Was heißt eigentlich »allgemein anerkannt«? Naturgesetze sind nicht basisdemokratisch.
Die folgenden Vorträge widmeten sich einem Beispiel zu Dachbahnen und der Brauchbarkeit bei Anwendung der DIN SPEC 20 000-201, referiert von Dr. rer. nat. Udo Simonis.
Sodann erläuterte Rechtsanwalt Dr. Marc Steffen, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin, ob und wie Regelwerkverfasser durch Beratervertrag, Amtshaftung oder deliktisch für Fehler haften. Danach sprach Rechtsanwältin Astrid Wirges, Leitung Justiziariat im DIN, Berlin, zum Thema »Anwenderpflichten beachtet: Herausgeberhaftung bei Anwendung technischer Normen?«.
Nach der Podiumsdiskussion zu den Themen des Vormittags referierte Privatdozent Dr.-Ing. habil. Stefan Wirth, Karlsruhe, zum Thema Fußbodenheizungen: Überhitzungsgefahr, Dämmhülsen, Rohrschiebehülsen an Fugen? Nach einem weiteren Fallbeispiel des AIBau folgt der nächste Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Andreas H. Holm, Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. (FIW) München, zu »Graue Energie – Gesamtbilanzierung von Entstehung über Nutzung bis Entsorgung bzw. Neuverwendung dringend geboten?« Beim letzten Fachvortrag der Tagung von Dr.-Ing. Heribert Oberhaus, Dortmund, ging es um die Risiken bei keramischen Systemen wie Riemchenbekleidungen auf Wärmedämmverbundsystemen.
Bei Ende der Tagung stand der Folgetermin für 2023 noch nicht fest. Fest steht aber, dass wir definitiv wieder mit dabei sein werden!
Die Redaktion »Der BauSV«