Beton mit und ohne Pyrokohle: Ein Teil Pyrokohle reduziert drei Teile CO<sub>2</sub> des Gesamtprodukts
Beton mit und ohne Pyrokohle: Ein Teil Pyrokohle reduziert drei Teile CO2 des Gesamtprodukts (© Fraunhofer IBP)
  • 12.11.2024

Fraunhofer IBP treibt Entwicklung klimafreundlicher Baustoffe voran

Nachhaltig und vielseitig

Über zwei Drittel weniger CO2-Emissionen bei gleichbleibend hoher Qualität: Fachleute des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP drehen an zahlreichen Stellschrauben, um den vertrauten Baustoff Beton in Zukunft möglichst klimaneutral herstellen zu können. Ihre Lösungen zeigen sie auf der Messe BAU vom 13. bis 17. Januar 2025 in München.


Wie sähe der perfekte Beton aus? Dieser Frage stellen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IBP: Vielseitig einsetzbar und nachhaltig sollte er sein, am besten aus lokalen Ressourcen herzustellen, recycelbar und resistent, darüber hinaus CO2-arm produziert. Dieses Ziel vor Augen arbeiten die Fachleute an vielseitigen Lösungen, die das Potenzial haben, die Bauindustrie entscheidend zu verändern.


Auf der Suche nach dem perfekten Beton

Ein zentraler Hebel der Expertinnen und Experten: Sie ersetzen verschiedene Bestandteile des Betons durch Pyrokohle. Zu deren Produktion erhitzen sie Pflanzenreste oder andere organische Stoffe wie Methan in sauerstoffarmer Atmosphäre. Bis zu 40 % des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenstoffes wird dabei als Feststoff in Form von Pyrokohle gespeichert. Durch ihre Integration wird rechnerisch mehr Kohlendioxid im Beton gebunden, als bei der Herstellung ausgestoßen wird.

Die Forschenden modifizieren die Pyrokohle nicht nur so, sodass sie bedarfsgenau eingearbeitet werden kann. Darüber hinaus entwickelten sie ein Verfahren, um den Zusatzstoff zu granulieren. Mit den hergestellten Gesteinskörnungen kleiner zwei Millimeter ersetzen sie den Sand im Beton. Damit wird dieser nicht nur klimafreundlicher, sondern auch bedeutend leichter, was zusätzlich Transportkosten einspart. »Wenn wir einen Teil Pyrokohle einsetzen, können  ca. drei Teile CO2 des Gesamtprodukts reduzieren.

Damit sind wir sehr nah am klimaneutralen Beton und stehen der herkömmlichen Variante qualitativ in nichts nach«, erläutert Dr. Volker Thome, Abteilungsleiter Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer IBP. Um die CO2-Bilanz des Betons weiter zu verbessern und natürliche Ressourcen zu schonen, verwenden die Fachleute zudem sogenannten biogenen Kalk, für dessen Herstellung ebenfalls Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen und im Kalk als Feststoff gebunden wird.


Den richtigen Ton treffen

Ein weiterer Ansatzpunkt der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um die CO2-Emissionen zu verringern, ist ein reduzierter Klinkergehalt im Zement. Angesichts der rückläufigen Verfügbarkeit etablierter Zementersatz- und Betonzusatzstoffe wie Hüttensande und Flugaschen eruierten die Fachleute am Fraunhofer IBP Tone als alternative geeignete Materialien, die in entsprechenden Mengen lokal verfügbar bleiben. In Deutschland gibt es davon verschiedene Arten, die thermisch oder mechanochemisch aktiviert dem Zement als Zumahlstoff zugegeben werden können.

Im Projekt »LOCALAY« untersucht eine Forschergruppe des Fraunhofer IBP auf Basis verschiedener Tone Rezepturen für CO2-arme, zementklinkerreduzierte und zementfreie Bindemittel, um sie in Massenbaustoffen einzusetzen. Die Fachleute identifizieren und analysieren hierfür Ton-Lagerstätten. Darüber hinaus entwickelten sie einen Reaktivitätstest, mit dem sie schnell klären, wie spezifische Tone je nach Verwendungszweck zu aktivieren sind und prüfen ihre Verarbeitbarkeit und Dauerhaftigkeit.

Tatsächlich befinden sich Tone in Deutschland vorwiegend im Bodenaushub. Dieser wiederum bildet mit 125 Millionen Tonnen pro Jahr den größten Mineralstrom des Landes. Um dieses Potenzial zu heben, bauen die Fraunhofer-Spezialisten ihre Kompetenzen der Bodenanalytik entsprechend weiter aus – von der Verarbeitung von Bodenaushub zur Abtrennung der Tonfraktion bis hin zur Nutzbarmachung feinster Tone in Filterkuchen, die etwa bei der Gemüsewäsche entstehen.


Ein antikes Original in die Moderne übertragen

Auf der Suche nach dem Beton der Zukunft lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. In der Tat erfüllen in der Antike verbaute römische Betone alle Kriterien moderner nachhaltiger Baustoffe. Sie sind zementfrei, bestehen aus lokal verfügbaren Ressourcen wie Vulkanaschen und sind nicht nur dauerhaft, sondern auch gegenüber vielen äußeren Einwirkungen resilient. Bedauerlicherweise ging die ihnen zugrunde liegende Rezeptur verloren.

Im Projekt RICIMER (Roman Inspired Cement Innovation by Multi-Analytical Enhanced Research) erforschen Fachleute des Fraunhofer IBP gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart diese Rezeptur. Ihr Ziel ist es, die Originalformulierungen samt Additiven zu detektieren und auf moderne Baustoffe zu übertragen.

Volker Thome ist überzeugt: »Wir stehen kurz davor, das Rätsel der antiken zementfreien Formulierungen final zu lösen. Nun gilt es, auf Basis unserer Ergebnisse neue Rezepturen zu erstellen, nach römisch-nachhaltigem Vorbild, aber mit Müllverbrennungs- und Industrieaschen anstelle der in der Antike verwendeten Vulkanaschen.«


Geopolymere – archaisches Wissen für die Zukunft erschließen

Selbst Zusatzstoffe, die Bauwerke beständiger machen, sind kein Phänomen der Neuzeit. Weltwunder wie die ägyptischen Pyramiden sollen mit ihrer Hilfe geschaffen worden sein: Hieroglyphen und Steininschriften zeugen von flüssigen, künstlichen Sandsteinen, die weder durch Wasser noch Feuer zerstört werden können.

Fakt ist, die sogenannten Geopolymere oder alkalisch aktivierten Binder sind je nach Zusammensetzung korrosionsresistent, hochfest und unbrennbar. Daher eignen sie sich für den Einsatz in chemisch stark beanspruchten Bereichen, etwa zur Beschichtung von Abwasserkanälen. In Australien werden sie aufgrund ihrer Festigkeit bereits in Landebahnen und Gebäuden verbaut.

Während man für die Herstellung herkömmlicher Baustoffe auf primäre Rohstofflager angewiesen ist, nutzen die Fraunhofer IBP-Expertinnen und Experten für die Produktion dieser Bindemittel kommunale Restmassen oder industrielle Nebenprodukte wie Flugaschen und Schlacken. »Wir haben mittlerweile große Erfahrung gesammelt und können bedarfsgerechte Geopolymere produzieren«, erläutert Thome.

Auf der BAU, Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme in München, stellen die Fachleute ihre Lösungen vom 13. bis 17. Januar vor. Die Expertinnen und Experten präsentieren unter anderem Beispiele für klimaneutralen Pyrokohlenbeton, römischen Beton und eine Auswahl an Geopolymeren.

 

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Internet: www.bau.fraunhofer.de


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